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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und verließ das Haus. Die Kinder schliefen noch und ahnten nicht, daß ihr Spielgefährte wie ein Dieb aus dem Hause schlich, Erna Graudenz war es gleichgültig, sie machte sich keine Gedanken über diesen merkwürdigen Besuch, und auch Carola Donani ließ sich nicht sehen, Leclerc zu verabschieden. Sie lag mit weit offenen Augen auf dem Bett und starrte gegen die rosafarben getünchte Decke … als sie leise Schritte auf dem Kies des Gartenweges hörte, stand sie auf und trat vorsichtig an das Fenster. Die Falten der dichten Übergardine verdeckten sie, durch einen Spalt sah sie hinunter auf den Weg.
    Jean Leclerc ging langsam dem schmiedeeisernen Tor zu. Er ging wie ein alter Mann, nach vorn gebeugt, mit hängenden Armen, gesenktem Kopf, schweren Füßen. Kurz vor dem Tor blieb er ruckartig stehen und blickte zurück. Er suchte das Fenster des Schlafzimmers. Carola trat noch weiter zurück, obgleich es unmöglich war, daß er sie sah.
    Eine schreckliche Leere war in ihr. In der grellen, entzaubernden Morgensonne sah Leclerc schmal, kindlich und irgendwie unfertig aus. Wie er so dastand an dem schmiedeeisernen Tor, sein Köfferchen in der Hand, mit einem bleichen, übernächtigen Gesicht, dem auch die natürliche Bräune nicht mehr den Eindruck des Gesunden leihen konnte, glich er mehr einem verhungerten Hausierer, der irgendwo im Heu geschlafen hatte, als einem heimlichen Geliebten, der es vermochte, eine Nacht zum lodernden Feuer werden zu lassen.
    Bin ich schon so alt, dachte Carola erschrocken, daß ich solche Dinge sehe? Bin ich mit meinen siebenundzwanzig Jahren schon so weit über die Zeit der großen Liebesillusionen hinaus, daß ich den Morgen fürchten muß, weil er die Wahrheiten zeigt und nicht mehr die Fortsetzung des nächtlichen Vergessens ist? Verliere ich die Fähigkeit, bedingungslos und blind zu lieben?
    Sie sah, wie Leclerc zögerte, wie er zum Fenster hinaufstarrte, wie er wartete, daß sie die Gardine beiseite schob und ihm zuwinkte.
    Geh, dachte sie mit einem bitteren Geschmack im Mund. Bitte, geh! Ich habe mich schändlich benommen. Ich habe meinen Mann betrogen mit einem Jüngling, der nun dasteht wie ein ausgesetzter Hund und bei dem es nicht verwundern würde, wenn er jetzt losheulen würde.
    Geh … bitte, bitte … geh –
    Sie wandte sich schroff ab, lief ins Zimmer zurück, warf sich auf das Bett und kniff die Augen zu, als könne sie damit alles auslöschen.
    Das Schloß des großen, schweren Eisentores fiel zu.
    Jean Leclerc zuckte zusammen, als er den dumpfen Klang hinter sich hörte. Langsam drehte er sich um. Der Garten, die Blumen, das weiße Haus, das Schwimmbecken, dahinter der silberblau leuchtende See, und zwischen ihm und dieser Schönheit nun das Gitter, wehrhaft, trennend … So schlug einmal auch die Pforte des Paradieses zu, dachte er und strich sich über die Augen. Und es war endgültig. Ist es auch dieses Mal endgültig?
    Bis zum Bahnhof war es eine gute halbe Stunde Weg zu Fuß. Er sah auf seine Uhr und atmete tief auf.
    Auf Wiedersehen, Chérie, dachte er. Uns werden keine eisernen Tore trennen … Ich weiß, daß du mich nicht mehr vergessen kannst –
    *
    Pietro Bombalo hatte es erreicht … die Termine der Konzerte wurden verschoben. Bernd Donani blieb in Europa, die große Amerika-Tournee wurde um vier Wochen verlegt.
    »Tun Sie das nie wieder, Maestro, nie wieder«, stöhnte Bombalo, als er die telegrafischen Zusagen hatte und vor Donani auf den Tisch legte. »Diese vier Wochen haben mich zehn Jahre älter gemacht … noch zweimal solche Dinge, und ich bin ein zitternder Greis.«
    »Aber Sie sehen – es geht, wenn man nur will.« Donani las die Telegramme gar nicht … er schob sie Bombalo wieder zu. »Wo sind wir in vier Wochen?«
    Bombalo überflog seine Terminliste. »In London, Maestro. Drei Konzerte. Chopin, Brahms und Beethoven.« Er sah mißtrauisch zu Donani. »Bitte, bitte … nicht verschieben …«, klagte er schon im voraus.
    »Aber nein. London ist gut.« Donani sah auf seine langen, schmalen Hände und auf den dünnen, einfachen Goldring, den er als einzigen Schmuck an der rechten Hand trug. Er hatte zu Hause angerufen. Es waren wirklich nur die Masern. Carola hatte er nicht sprechen können, sie war zum Arzt gefahren. Migräne. Über Starnberg lag der Föhn. Erna Graudenz hatte ihm genau berichtet über die Kinder. Von Jean Leclerc hatte sie nichts erwähnt. Der kurze Besuch kam ihr zu unwichtig vor, um damit auch noch den vielbeschäftigten

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