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syrenka

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Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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ihn herum schwarz wurde: »Sie hat Sie betört, um Sie zu töten!«

Am Tag nach Peters Schulabschluss hatte Hester ihren ersten richtigen Ferientag, den sie auf der Plimoth Plantation verbrachte. Sie warf eine Handvoll Kohl in die Schweinsbrühe und rührte mit einem Holzlöffel um. Schwere Schwaden entstiegen dem eisernen Topf und zogen hinauf in den Kamin. Hester beugte sich vor, um zu schnuppern, und der Dampf schlug sich in feinen Tröpfchen auf ihrer Nase nieder.
    »Einen Hauch mehr Salz«, stellte sie fest und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Aber bloß nicht zu verschwenderisch.« Sie raffte ihren schweren Wollrock zusammen, damit er nicht in die Asche der offenen Feuerstelle hing, und gab aus einer Dose eine Prise Salz hinzu. Das Mittagessen war fertig – und dieses Mal konnte sie anhand des Duftes sagen, dass es tatsächlich essbar war. In diesem Jahr würden ihre Mahlzeiten den Touristen umso authentischer erscheinen, wenn ihr angeblicher Ehemann das Zeug wirklich aß.
    Sie warf einen Blick über die Schulter. Die Hütte war leer. Siekonnte ihre Rolle unterbrechen. Die meisten Besucher waren den Trommelwirbeln gefolgt und hatten sich am Fort eingefunden, um zuzusehen, wie die Bürgerwehr mit ihren Waffen übte. Hester konnte sich erlauben, ihren eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen – und sich ein paar Momente lang mal nicht als Siedlerin zu fühlen.
    Sie strich die Decken auf ihrem vorgeblichen Ehebett glatt und setzte sich mit einem Seufzer. Die Matratze war mit klumpiger Baumwolle gefüllt und die Decke kratzte an ihren Handflächen. Bei den Proben für ihre Rolle hatte sie die Erklärung gelernt, dass der provisorische Wollvorhang um das Bett herum dazu diente, nachts die Körperwärme zu halten – aber Hester konnte sich bestens vorstellen, dass er im Jahr 1627 den einzigen erbärmlichen Raum für Privatsphäre bot, den ein junges Paar in einer Hütte mit nur einem Raum finden konnte: die Kinder zum Spielen nach draußen schicken, den Vorhang zuziehen und dann schnell ...
    Trotz der Dunkelheit, die in der Hütte herrschte, war die Hitze zum Schneiden. Die schmalen, hohen Fenster ließen kaum Licht und keinen Windhauch herein. Und unter drei Schichten originalgetreuer Kleidung – aus Leinen, Wolle und Leder – konnte man an einem heißen Tag beinahe ersticken. Hester wischte sich mit einem Taschentuch, das in ihrem Gürtel steckte, über die Stirn und schob ein paar lange Haarsträhnen unter ihre Leinenhaube. Jede andere Darstellerin wäre versucht gewesen, ihr kurzes Überjäckchen abzulegen, aber das kam Hester nicht in den Sinn. Sie war fest davon überzeugt, dass Elizabeth Tilley Howland nicht mal den obersten Knopf geöffnet hätte!
    Sie stand wieder auf. In der Hütte gab es immer etwas zu tun.Sie nahm einen Lappen und begann Staub zu wischen. Der Boden aus gestampfter Erde machte es schier unmöglich, die Hütte sauber zu halten. Hester staubte das einzige Regal der Familie ab, hob Schüsseln, Brettchen und Löffel hoch, wischte darunter her und nahm dann das einzige Buch, das dort stand, in die Hand. Es war ein Nachdruck der Genfer Bibel von 1560, glaubhaft eingeschmutzt und mit verknitterten Seiten. Hester schlug die Bibel auf und ein Silberfischchen schoss den Buchsteg entlang. Erschreckt ließ sie das Buch fallen. Ihr Herz schlug wie verrückt. Mit einem Mal war ihr schwindelig und sie fühlte sich wie benebelt. Sie setzte sich auf einen Stuhl und bedeckte ihr Gesicht. Eine Erinnerung übermannte sie ...
    Hester war auf dem Heimweg von der Schule. Sie trödelte herum und auf dem Friedhof hinter der Kirche hielt sie Ausschau nach ihrer Freundin Linnie. Sie fand sie in der Nähe der alten Eiche, wo sie mit Hingabe an einem Fort baute. Linnie schien immer nur auf Hester zu warten.
    Es war zu warm und die Sonne stach zu sehr herab, um zu spielen und herumzutoben. Darum lagen sie einfach nur faul im frischen Gras hinter der Kirche, lauschten den Vögeln und beobachteten soeben geschlüpfte Fliegen, die sich auf einem warmen Grabstein sonnten. Hester war sieben, Linnie achteinhalb und sehr stolz darauf, dass sie älter war. Hester lag auf dem Rücken und sah den Wolken nach, die gemächlich über den Himmel zogen und sich aufblähten und ausdehnten wie Popcorn. Sie schloss die Augen und dämmerte ein bisschen vor sich hin, bis sie Linnies Stimme hörte.
    »Wetten, du traust dich nicht, in die Kirche zu gehen, Hester?«
    Hester öffnete die Augen einen Spalt, drehte den Kopf

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