syrenka
Wasseroberfläche.
»Gefangen«, sagte sie, bevor sie erneut verschwand.
Was hatte sie da gesagt? Gab sie etwa ihre Schuld zu? Ezras Herz schlug wie wild.
Dann tauchte sie wieder auf. »Mein Schwanz!« Er konnte nur ihre Augen sehen, weit geöffnet und vor Zorn glühend. Und dann verschwand sie wieder. Dieses Mal versuchte sie mit den Händen ins Wasser zu greifen, während sie sank, und Ezra merkte, dass sie hinabgezogen wurde.
Dann kam sie wieder hochgeschossen und klammerte sich an den Rumpf von Ezras Boot. Ihr Schwanz hatte sich im Fischernetz verfangen.
Ezra sah wieder zu Olaf, und im Licht der Lampe konnte er sehen, wie dieser das Netz Hand um Hand einholte. Er zog Syrenka – und damit auch Ezras Boot – zu sich heran. Syrenka peitschte mit ihrem Schwanz, um sich zu befreien. Das Wasser spritzte in alle Richtungen.
Ohne nachzudenken, legte Ezra seine Hand auf die von Syrenka. Ihre Haut war rutschig, gleichzeitig fest und nachgiebig und kühler als seine eigene.
»Sie Bastard! Lassen Sie das!«, schrie er Olaf zu.
Syrenkas Finger glitten vom Bootsrand. Ezra fasste sie an den Unterarmen, aber sie rutschten ihm durch die Hände, bis die Flossen an ihren Handgelenken in seine Handflächen schnitten. Dennoch ließ er nicht los. Er spürte sein warmes Blut und dasBrennen des Salzwassers. Die Zugkraft war so stark, dass sich sein Boot neigte.
»Lass los, Ezra«, rief Syrenka.
»Niemals!«
»Aber du bist verletzt«, entgegnete sie zornig.
Dann ging sie unter. Und Ezra, der sie immer noch festhielt, fiel aus dem Boot.
Das Meer war tiefschwarz und kalt. Im Bruchteil einer Sekunde hatten sich Ezras Kleider und Schuhe vollgesogen. Das Wasser schloss sich über seinem Kopf und Luftblasen entstiegen seiner Nase. Und nun war nicht mehr er derjenige, der Syrenka an den Armen festhielt, sondern sie hielt ihn. Er spürte, wie er in die Richtung von Olafs Kahn geschleppt wurde, nur weiter unterhalb. Syrenka hatte Ezra um die Hüfte gefasst, sodass sein Körper seitlich an ihrem lag. Sie hatte mehr Kraft, als er je gedacht hätte. Und er war verletzlicher, als er geglaubt hatte.
Seine leeren Lungen fühlten sich an wie zusammengepresst, als wenn ein schmerzhaftes Gewicht auf seine Brust drückte. Sein Zwerchfell begann zu zucken, drängte ihn, wider besseres Wissen Luft zu holen. Er schluckte. Wieder und wieder, um das Atmen zu unterdrücken. Plötzlich drehte Syrenka ihn zu sich um und drückte ihre kühlen Lippen auf seine. Unwillkürlich öffnete er den Mund. Er war der Ohnmacht nahe. Er wusste, dass er sterben würde, wenn er sie küsste.
Und dann geschah ein Wunder: Der Schmerz in seiner Brust verschwand. Seine Muskeln entspannten sich. Er war bei Bewusstsein. Es schien, als hätte er einen enormen, unerschöpflichen Atemzug getan. Wie neu belebt war er nun, und ein echter Kuss – so lange ersehnt – verband sie miteinander.
Dann spürte er, wie sie zusammenzuckte, und Ezra realisierte, dass sie noch immer in Olafs Netz gefangen war. Syrenka fasste ihn wieder um die Hüfte und versuchte, mit ihrer freien Hand ihren Schwanz aus dem Netz zu lösen. Sie beugte sich vor und zurück und versuchte nach Kräften, das Netz mit der Hand zu zerreißen, bis sie es schließlich mit ihrer Handgelenkflosse durchschnitt. Während dieser ganzen Zeit ließ sie Ezra nicht los.
Nun aber begann die Wirkung des Kusses nachzulassen. Er ermöglichte es Ezra nicht, ewig unter Wasser zu bleiben, wie er geglaubt hatte. Sie hatte ihm nur für eine kurze Zeit Atem geben können. Wenn sie ihn doch an die Oberfläche ließe, um Luft zu holen, dachte Ezra, dann könnte er den Fischer vielleicht ablenken, ihn zurechtweisen und Syrenka auf diese Weise retten.
Er zog an ihrem Arm, der um seine Hüfte lag, aber Syrenka umklammerte ihn wie ein Schraubstock. Er versuchte, ihre Finger aufzubiegen. Nun bekam er Angst. Er strampelte wie ein Kind, rüttelte sie an der Schulter, aber Syrenka achtete nicht auf ihn. Wie konnte sie ihn denn einfach vergessen? Ezra verfiel in Panik. Er hatte keine Luft mehr. Er sah nach oben und erblickte die Lampe des Fischers, sah ihr Licht durch die Wellen flackern. Er würde sterben, in Sichtweite der Wasseroberfläche!
Er schlug und trat um sich, und in seiner äußersten Verzweiflung schrie er sie an und stieß dabei den letzten Rest Luft aus, der noch in seiner Lunge verblieben war. Und jetzt verlor er tatsächlich die Besinnung, und Olaf Ontstaans Anschuldigung durchzuckte sein Hirn, während die Welt um
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