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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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und sah, dass Linnie sich auf die Ellbogen gestützt hatte und sie ansah – offenbar zu allem entschlossen, wie sie manchmal sein konnte.
    »Wieso soll ich mich das nicht trauen?«, knurrte Hester. »Ich gehe doch jeden Sonntag in die Kirche.«
    »Aber nie allein und auch nicht, wenn die Kirche leer ist.«
    Hester gähnte und sah zur Hintertür der Kirche. Sie war nur angelehnt, was Hester nicht bemerkt hatte, als sie gekommen war. Im Inneren war es dunkel.
    Ein bisschen benommen setzte sie sich auf. »Willst du etwa, dass wir dort spielen?«
    Linnie schüttelte den Kopf. »Das darf ich nicht.«
    Hester legte sich wieder hin und seufzte tief. »Niemand darf das, soviel ich weiß.«
    »Das ist es ja gerade. Deswegen sage ich doch, du traust dich nicht.«
    Hester zuckte die Schultern, und nach einem kurzen Schweigen platzte Linnie heraus: »Ich habe zufällig herausgefunden, wie es richtig heißt: dass man eine Kirche während der Woche nicht betreten darf – es sei denn, man hat eine Bibel dabei.«
    »Wo hast du das denn her?«
    »Bitte, Hester!« Linnie fasste sie an der Schulter. »Du sollst mit einer Bibel in der Hand in die Kirche gehen!«
    »Ich habe aber keine Bibel hier.«
    »Ich schon!«
    Hester riss die Augen auf. »Du hast eine Bibel hier? Wo?«
    Linnie stand auf, gab Hester die Hand, um sie hochzuziehen, und führte sie zu den Grabkammern gegenüber der School Street.
    Die Grabkammern waren ein breiter Granitsteinbau, den manauf dem Friedhofshügel, dem Burial Hill, errichtet hatte, und der mit Gestrüpp und Unkraut überwuchert war. An der Vorderseite befanden sich vier Eisentüren und eine Marmortafel, die den Bau auf das Jahr 1833 datierte. Zwei Türen waren mit alten, schwarzen Vorhängeschlössern verschlossen – mit Löchern für dicke Buntbartschlüssel. Linnie stand vor der Mitte des Baus, zwischen den vier Türen, und sah wachsam erst über die eine und dann über die andere Schulter nach hinten. Sie wollte sichergehen, dass sie allein waren. Hester schaute sich ebenfalls um, und als sie wieder nach vorn blickte, hatte Linnie einen Vorhang aus Efeu beiseitegeschoben, der von der Mitte des Gebäudes herabhing.
    Überrascht stellte Hester nun fest, dass es eine fünfte Grabkammer gab, die sie noch nie gesehen hatte. Sie besaß ebenfalls eine schwarze Tür mit einem Eisenring als Öffner – wie die anderen Türen auch. Zwei gestreifte Schnecken klebten reglos am Mauerwerk über der Tür.
    Dem Abstand der Türen nach zu urteilen und bei genauerem Hinsehen, überlegte Hester, hätte sie vielleicht auch erraten, dass sich dort eine weitere Grabkammer befand – wenn man sie danach gefragt hätte.
    »Da drinnen verstecke ich alle meine Schätze«, flüsterte Linnie. »Weil niemand mehr diese Grabkammern betritt.«
    Ein Vorhängeschloss gab es hier nicht. Nur einen großen Schieberiegel am Fuß der Tür, der weit in den Boden ragte. Hester versuchte, den Riegel hochzuziehen, aber er war in dem harten, trockenen Boden geradezu festzementiert.
    »Halt mal den Efeu, damit sich meine Haare nicht darin verfangen«, sagte Linnie.
    Ohne große Anstrengung zog sie den Riegel hoch. Dann öffnete sie die Tür einen Spalt breit, langte ins Innere, zog eine staubige, abgegriffene Bibel heraus und reichte sie Hester. Ein muffiger Geruch nach Moder und Erde stieg von dem Buch auf und stach Hester heftig in die Nase.
    »So. Und du traust dich also wirklich, die Kirche zu betreten?«, hakte Linnie nochmals nach. Sie zog die Tür zu und schob den Riegel wieder vor. Hester ließ den Efeu los, und obwohl sie direkt davorstand, wurde die Grabkammer wieder unsichtbar.
    »Klar«, sagte Hester und überlegte gleichzeitig, ob Linnie sie jetzt nicht irgendwie ausgetrickst hatte. »Aber wenn ich Ärger bekomme, musst du zugeben, dass es deine Idee war. Versprochen?«
    Linnies Augenbrauen zogen sich ängstlich zusammen und sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht versprechen.«
    Hester hielt ihr die Bibel hin. »Dann mache ich es nicht.«
    Linnies Augen schossen zur Kirchtür. Hester trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
    »Nein, warte!« Linnie blickte nun wieder zu ihr. »Ich verspreche es.«
    »Großes Indianerehrenwort? Mit Blutschwur?«
    »Das ist ja ekelhaft!«
    »Du musst es aber tun!«
    »Mit Blut schwören?«
    »Nein!« Hester lachte. Sie nahm Linnies bleiche Hand und legte sie auf ihr Herz. »Bei deinem Blut schwören, du Dummi!«
    Dann lief Hester auf Zehenspitzen in die Kirche, während Linnie hinter

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