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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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zuckte. »Immerhin hab ich gut geschlafen.« Sie gähnte und reckte sich. »Und du?«
    »Ja«, sagte Milgrim und beließ es dabei. Also duzten sie sich jetzt...
    Sie stand auf und ging ihre gepolsterte Hose holen. Er hörte, wie sie hineinschlüpfte. Der Reißverschluss wurde zugezogen. Er unterdrückte ein Seufzen. »Kaffee«, sagte sie. »Ich werde Benny bitten, welchen zu holen. Mit Milch?«
    »Mit Milch«, sagte Milgrim. »Und Zucker.« Er suchte unter der Matratze nach seinen Socken. »Was war das für Musik, auf deinem Handy?«
    »Den Namen hab ich vergessen. Großartig! Aus der Sahara.« Sie schlüpfte in ihre Stiefel. »Der Typ hat Jimi und James Brown auf Kurzwelle gehört, als er klein war. Und sich zusätzliche Bünde in seine Gitarre geschnitten.« Sie ging hinaus, ohne die italienische Lampe heller zu stellen. Gräuliches Sonnenlicht fiel herein. Dann schloss sie die Tür hinter sich.

63. Gebogene Gabeln
    Garreth und Pep, der katalanische Autodieb, waren in eine Diskussion über Nabenmotoren für Fahrräder vertieft, und so war sie froh über Inchmales Anruf. Sie wusste kaum, was ein Nabenmotor war, aber Pep wollte zwei davon, wegen der Geschwindigkeit, während Garreth darauf beharrte, zwei wären zu viel. Falls einer davon ausgehen sollte, würde das zusätzliche Gewicht sowie der Widerstand des Generators den Vorteil des anderen neutralisieren. Aber wenn es nur einen gäbe und dieser versagte, dann könnte Pep wenigstens ordentlich in die Pedale treten, ohne Energie auf das zusätzliche Gewicht zu verschwenden. Die Klarheit, mit der sie all das im Gedächtnis behielt, ohne zu wissen, worum es überhaupt ging, überraschte sie.
    Pep sah aus, als hätte jemand aus Gérard Depardieu eine Apfelpuppe gemacht, indem er den Apfel in gesalzenem Zitronensaft getränkt und dann gebacken hatte, um ihn schließlich an einem kühlen, dunklen Ort hart werden zu lassen, in der Hoffnung, er würde nicht schimmeln. Schimmel hatte er, seinem Aussehen nach, keinen angesetzt, aber er war ein ganzes Stück kleiner geworden. Sein Alter war unmöglich zu schätzen. Manchmal sah er aus wie der verlebteste Teenager der Welt; manchmal bestürzend alt. Auf seinem rechten Handrücken prangte eine Drachentätowierung mit Fledermausflügeln, die irgendwie phallisch wirkte und weniger wie eine Tätowierung aussah denn wie ein mittelalterlicher Holzschnitt. Seine Fingernägel, die fast völlig rechteckig waren, waren frisch manikürt und auf Hochglanz poliert. Garreth schien sich zu freuen, ihn zu sehen, aber Hollis fühlte sich in seiner Gegenwart unwohl.
    Inchmale hatte von der Galerie angerufen, wo sie im Hintergrund hören konnte, dass die ersten abendlichen Trinker bereits am Werk waren. »Bist du schwanger?«, hatte er gefragt.
    »Spinnst du?«
    »Der Portier hat von dir als ›sie‹ im Plural gesprochen. Das ist mir nicht entgangen.«
    »Ich komm runter. Im Singular.«
    Sie hatte Garreth zurückgelassen, während dieser gerade Pep beschimpfte, weil der für ein Rad, das wahrscheinlich nur ein paar Stunden benutzt werden und vielleicht in der Themse landen würde, einen »Hetchins-Rahmen« bestellt hatte. Als sie die Tut schloss, hatte Pep darauf erwidert, dass sie es vielleicht gar nicht würden wegwerfen müssen, und gebogene Gabeln seien schließlich eine tolle Sache. Dabei hatte er seine Fingernägel betrachtet, eine Geste, wie sie für manikürte Männer typisch war.
    Heidi und Inchmale hatten sich bereits zwischen den Narwalstoßzähnen niedergelassen. Inchmale schenkte sich aus einem klassischen Bunnykins-Service — ein Markenzeichen des Cabinet — Tee ein. »Guten Abend«, sagte er. »Wir besprechen gerade, welche Scheiße wie und warum am Dampfen ist, was für eine Rolle du dabei spielst, und ob die Möglichkeit besteht, dass du dich auf eine längere Beziehung einlassen könntest.«
    »Was wäre denn deiner Meinung nach dafür die Voraussetzung?«, fragte sie und setzte sich.
    »Nun, erst einmal müsstest du jemand Passenden finden«, sagte Inchmale und stellte die Teekanne ab. »Aber ich war schon früher der Meinung, dass er ein netter Bursche ist.«
    »Das hast du über Phil Spector auch gesagt.«
    »Das hatte andere Gründe«, erwiderte Inchmale. »Das Alter. Pech. Genialität. Zitrone?« Er hielt ihr einen Zitronenschnitz in einer kunstvoll verzierten Silberpresse hin.
    »Keine Zitrone. Was sind gebogene Gabeln?«
    »Besteck.«
    »Ich habe gerade gehört, wie ein katalanischer Autodieb dieses Wort verwendet

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