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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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ihr Spaß zu machen. In erster Linie benutzte sie zu diesem Zweck einen Satz kleiner Schraubenzieher, farbkodierte Sechskantschraubenschlüssel und Videos auf einer Internetseite, denen sie auf seinem Air folgte, über den roten Dongle. Eine Firma in Michigan, zwei Brüder, Zwillinge mit identischen Brillen und Chambray-Hemden.
    Es sah nicht aus wie ein Hubschrauber, auch wenn es acht Propeller hatte. Es bestand aus schwarzem Schaumstoff mit einem rundumlaufenden Stoßfänger aus einem anderen schwarzen Material und zwei Reihen mit je vier Löchern, in denen die Rotoren verankert wurden. Im Moment stand es auf vier abgeschrägten Drahtbeinen, ungefähr zehn Zentimeter über der Tischoberfläche. Seine vier Batterien — eine in jeder der vier Ecken, des Gleichgewichts wegen - wurden an einer Steckdose aufgeladen. Der schwarze Kunststoffrumpf, auf dem alles ruhte, war schmal und stromlinienförmig; in ihm waren die Kamera und die Elektronik untergebracht.
    »In geschlossenen Räumen kann man das nicht testen«, sagte Fiona und legte den Schraubenzieher weg. »Aber immerhin ist es fertig. Ich bin erschöpft. War die ganze Nacht auf. Wie wär's mit einem Nickerchen?«
    »Ein Nickerchen?«
    »Auf Ihrer Matratze. Breit genug ist sie. Haben Sie letzte Nacht geschlafen?«
    »Nicht so richtig.«
    »Dann lassen Sie uns das nachholen.«
    Milgrim blickte von einer leeren weißen Wand zur anderen und dann zu dem schwarzen Rochen und dem silbernen Pinguin hinauf. »Na gut«, sagte er.
    »Schalten Sie Ihren Laptop aus.« Sie stand auf, während Milgrim den Air herunterfuhr. Dann ging sie zu der Stehlampe hinüber und dimmte sie herunter. »Ich kann in dieser Hose nicht schlafen«, sagte sie. »Sie ist aus Kevlar.«
    »Okay«, sagte Milgrim.
    Das laute Ratschen eines Klettverschlusses und dann eines Reißverschlusses. Etwas fiel zu Boden. Sie zog ihre gepolsterte Hose aus und ging barfuß zu der weißen Matratze hinüber, die schwach zu leuchten schien. »Kommen Sie«, sagte Fiona. »Ich kann kaum noch die Augen offen halten.«
    »Na gut«, sagte Milgrim.
    »Im Tanky&Tojo kann kein Mensch schlafen«, sagte sie. »Okay«, sagte Milgrim und begann sein Hemd auszuziehen, das an jedem Ärmel viel zu viele Knöpfe hatte. Nachdem er das geschafft hatte, hängte er es über eine Stuhllehne, über sein neues Jackett, und zog seine Hose aus.
    Er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie sie den MontBell aus dem Beutel zog. Am liebsten hätte er laut geschrien oder gesungen. Irgendwas. Er tapste auf den weißen Schaumstoff zu, als ihm bewusst wurde, dass er noch immer die schwarzen Socken aus den Galeries Lafayettes anhatte. Das schien ihm irgendwie unpassend. Er blieb stehen und zog sie aus, wobei er fast umgefallen wäre.
    »Kommen Sie unter die Decke«, sagte Fiona, nachdem sie den offenen Schlafsack so weit wie möglich ausgebreitet hatte. »Zum Glück benutze ich nie ein Kopfkissen.«
    »Ich auch nicht«, log Milgrim, setzte sich und stopfte seine Socken hastig unter die Matratze. Er schob seine Beine unter den MontBell und legte sich, sehr gerade, neben sie.
    »Sie und Heidi«, sagte Fiona, »Sie haben doch nichts miteinander, oder?«
    »Ich?«, sagte er. »Nein!« Dann lag er da, die Augen weit aufgerissen, und wartete auf ihre Antwort, bis er sie leise schnarchen hörte.

61. Gesichtserkennung
    Sie hatten zusammen mit H. G. Wells geduscht, wobei sie Frank, Garreths bandagiertes Bein, in etwas hineinsteckten, das wie ein übermenschlich großes Kondom aussah. Als sie ihm half, sich abzutrocknen, hatte sie etwas mehr von Frank — »Frankenstein« - zu sehen bekommen. Zahllose Anzeichen für heldenhaft überstandene Operationen, dem Vernehmen nach. So viele Nähte wie eine Patchworkdecke, und sie vermutete, dass es sich tatsächlich um Flickwerk handelte, denn seine andere Wade wies mehrere saubere Narben auf, wo Haut zur Transplantation entfernt worden war. Und in Frank - sofern Garreth sie nicht einfach nur verarscht hatte - steckte ein ganzes Stück Rattanknochen. Franks Muskulatur war erheblich geschwunden, aber in dieser Hinsicht war Garreth optimistisch. Und nicht nur in dieser Hinsicht, wie sie zu ihrer Freude festgestellt hatte, als sich seine rauhen, feinfühligen Hände auf Erkundungstour begaben.
    Jetzt lag er, in dem Nicht-Velours-Morgenmantel des Cabinet, auf dem Pibloktoq-Bett, Frank in eine glitschig aussehende, schwarze, mit Klettverschluss befestigte Hülle verpackt, durch die eine Maschine von der Größe und der

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