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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Oberschenkel sinken.
    Die Gegend, die dem Markt gegenüberlag, machte auf ihn einen für London völlig typischen Eindruck. Ein paar Durchgangsstraßen, wobei der Verkehr hier nicht besonders dicht wat. Die dem Markt am nächsten gelegene Fahrspur war sogar völlig leer. Jetzt hörte er allerdings, wie Motorengeräusche näher kamen. Er und Fiona drehten sich im selben Moment um. Einer dieser anonymen, für gewöhnlich japanischen Zweitürer, aus denen der Großteil des Londoner Verkehrs zu bestehen schien. Er wurde nicht langsamer, als er an ihnen vorbeifuhr, aber Milgrim sah, dass der Fahrer zu ihnen herüberblickte.
    Nachdem der Wagen einen Bogen um die Kuriere gemacht hatte, bremste er und fuhr links ran. Die Kuriere schauten ihn an, tauschten dann einen Blick, stellten ihre Dosen weg, setzten ihre Helme auf und fuhren davon. Die Beifahrertür des Wagens öffnete sich, und Winnie stieg heraus. Sie trug einen beigen Regenmantel und einen schwarzen Hosenanzug. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, lief sie zu ihnen hinüber. Es war das erste Mal, dass sie kein Sweatshirt mit dem Schriftzug South Carolina anhatte und keine Tüte mit Spielsachen umklammert hielt. Stattdessen hing über ihrer Schulter eine nüchterne, schwarze Lederhandtasche, die zu ihren Schuhen passte. Milgrim behielt diese Schuhe im Auge, während sie an den beiden Dosen vorbeistöckelten.
    »Special Agent Whitaker«, sagte sie zu Fiona, als sie ihnen schließlich gegenüberstand.
    »Aha«, sagte Fiona.
    Der Fahrer stieg aus dem Wagen. Ein älterer Mann, der einen Filzhut trug, einen Regenmantel in annähernd der gleichen Farbe wie Winnies, dunkle Hosen und große braune Schuhe. Er schloss die Wagentür, richtete sich auf und blickte zu ihnen herüber.
    »Milgrim und ich werden uns im Auto unterhalten«, sagte Winnie.. »Er wird hinter dem Steuer sitzen. Mein Fahrer wird in einigem Abstand warten, wo Sie ihn sehen können. In Ordnung?«
    Fiona nickte.
    »Gut, dann kommen Sie«, sagte Winnie zu Milgrim.
    Er stieg vom Motorrad, wobei er sich in seinem gepolsterten Nylonanzug reichlich unbeholfen vorkam, und legte den Haarsprayhelm auf den Sitz. Sie ging vor ihm zu dem Wagen. Vorbei an den Dosen, die, wie Milgrim jetzt sah, Apfelsaft mit einem äußerst plakativen Logo enthielten - offenbar achteten die Londoner Kuriere auf ihre Gesundheit, auch wenn sie rauchten. »Ihre Freundin hat ihre Bedingungen unmissverständlich klargemacht«, sagte Winnie.
    »Das habe ich gehört. Aber sie hat Anweisung, mich nicht aus den Augen zu lassen. Immerhin hat sie zugestimmt, mich hierher zu bringen, und zwar sehr kurzfristig.«
    Sie hielt ihm die Fahrertür auf.
    Milgrim, der seit einem Jahrzehnt oder mehr kein Auto mehr gefahren war, setzte sich hinter das Steuer. Der Wagen roch nach Lufterfrischer, und auf dem Armaturenbrett prangte eine große Christophorus-Medaille. Winnie umrundete mit raschen Schritten das Heck des Wagens und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Schicker Anzug«, sagte Milgrim.
    »Dass ich ihn trage, ist ein Verstoß gegen die Regeln.«
    »Inwiefern?«
    »Marineblau oder Dunkelgrau sind die Norm. Wenn eine FBIAgentin sich in Schale wirft, steht im Bericht, sie habe einen schwarzen Anzug getragen. Trägt sie einen schwarzen Anzug, will sie dir vor Augen führen, wer sie ist. Trägt sie Dunkelgrau von Brooks Brothers, will sie es langsam angehen lassen. Aber wenn sie einen schwarzen Anzug anhat, trägt sie besonders dick auf. Und wissen Sie, was das Problem daran ist?«
    »Nein«, sagte Milgrim.
    »Wenn man seine Dienstmarke zeigt, hat man eigentlich schon verloren. Deshalb sind Visitenkarten viel besser. Die Dienstmarke ist wie etwas aus einem Rollenspiel — ein unheilbringendes Siegel der Großen Alten. Wenn man gute Beziehungen aufbauen und zu jemandem in ein enges Verhältnis treten will, dann ist eine Dienstmarke das Letzte, was man gebrauchen kann.«
    Milgrim musterte sie eingehend. »Das ist Ihre Aufgabe?«
    »Sie sind hier, oder etwa nicht?«
    Er dachte darüber nach. »Ich verstehe, was Sie meinen. Wer ist Ihr Begleiter?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.
    »Ich habe bei ihm ein Gästezimmer gemietet. Eigentlich trage ich den Anzug ihm zuliebe. Wenn er mich schon durch die Gegend fährt, dann kann ich auch so aussehen, wie er sich eine professionelle Geheimagentin vorstellt.«
    Ihr Begleiter war ein paar Meter weitergeschlendert, und jetzt stand er mit den Händen in den Taschen des Regenmantels da und starrte in

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