Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
ging neben ihr in die Hocke, und sie zog die Plane über sie beide, sodass nur Kopf und Hände außerhalb blieben. »Mach schon«, sagte sie. »Geh ein Stück rauf, weg von der Straße. Ich kann jetzt nicht reden - hab zu tun.« Er sah, dass sie eines dieser Headsets im Ohr hatte. »Halte nach einem großen Mann Ausschau. Er trägt einen Regenmantel, einen Überzieher. Keinen Hut. Kurze Haare, wahrscheinlich grau. In der Hand hat er ein Päckchen, in Papier eingeschlagen, ungefähr einen Meter lang.« »Wo?«
    »Ich hab ihn aus den Augen verloren. Tipp auf das grüne Licht, wenn du auf Nachtsicht umstellen möchtest, aber bei dem Pinguin bringt das nicht viel, es sei denn du bist nahe an etwas dran.«
    Milgrim schaltete sein iPhone ein und starrte das matt leuchtende Display an. Dann begriff er, dass die Kamera des Pinguins nur leeren Himmel zeigte. Wie viel schöner es doch war, wenn man sich keine Sorgen machen musste, gegen die Wände oder die Decke des Würfels zu stoßen! Er ging höher hinauf und fühlte sich eigenartig frei.
    »Trägt dieser Typ ein Hockey-Trikot, auf das ein Gesicht gemalt ist?« Sie hielt ihm ihr Display hin. Die Kamera blickte von oben auf eine Gestalt in einem riesigen T-Shirt herab, auf dessen Rücken ein gewaltiges, groteskes Gesicht zu sehen war.
    »Sieht konstruktivistisch aus«, sagte er. »El Lissitzky? Bricht er die Wagentür auf?« Der Mann stand direkt neben einem schwarzen Pkw.
    »Er schließt sie wieder ab. Aufgebrochen hat er sie schon.« Ihre Finger glitten über das Display, und das Bild verschwamm - im Vergleich zu dem Flugpinguin bewegte sich ihre Drohne überraschend schnell.
    »Wohin willst du?«
    »Ich muss noch einen Blick auf die anderen drei werfen. Und dann muss ich landen, um die Batterie zu schonen. Ich bin in der Luft, seit ich hier bin. Suchst du nach dem Mann mit dem Päckchen?«
    »Ja«, sagte Milgrim. Der Pinguin schwamm abwärts, dem vergleichsweise dunklen Brachland entgegen. »
    »Wer sind die anderen drei?«
    »Einer ist Chombo. Dann der aus dem Wagen, der euch in der Stadt den Weg versperren wollte.« Laubfrosch.
    »Der Dritte ist so ein Footballspieler mit metallenem Haar.« »Metallenem Haar?«
    »Eher wie ein Vokuhila. Ein ziemlicher Brocken.«

79. Spielleiter
    Hollis stand hinter ihm und redete sich ein, sie würde jemandem dabei zuschauen, wie er in mehreren Fenstern gleichzeitig ein Spiel spielte - irgendetwas Langweiliges und gewollt Geheimnisvolles. Etwas, das keinerlei Bedeutung hatte.
    Ein Spiel, das von Studenten billig produziert worden war. Ohne Musik oder Soundeffekte. Garreth war der Spielleiter, der die Aufgaben stellte und Gold verteilte und Siegel, die unsichtbar machten.
    Es war besser, es so zu sehen, aber ganz wollte es ihr nicht gelingen. Sie lehnte sich gegen die kühle, auberginefarben lackierte Stahlkarosserie und betrachtete die Aufnahmen, die Fionas Drohne lieferte.
    Was auch immer Fiona da steuerte, es schien so schnell wie ein Kolibri zu sein - es konnte plötzlich in der Luft stehen bleiben, aber auch wie ein Fahrstuhl nach oben und unten flitzen. Alles war in das Blassgrün der Nachtsichteinstellung getaucht. Fionas Kamera war besser als die von Milgrim - jemand hatte dafür eine Menge Geld ausgegeben. Hollis, die keine Ahnung hatte, wie die Drohne wohl aussah, stellte sich eine riesige Libelle vor, der Leib so groß wie ein Baguette, die pulsierenden Flügel fast unsichtbar.
    Die Drohne hatte aus der Luft vier Männer beobachtet, die aus einem schwarzen Pkw stiegen. Ein gemieteter Mercedes, hatte Garreth gesagt, dem es irgendwie gelungen war, das Kennzeichen zu überprüfen.
    Zwei der Männer waren hochgewachsen und breitschultrig und wirkten ausgesprochen kompetent. Ein weiterer, kleinerer, bei dem es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Laubfrosch handelte, hinkte. Der Vierte, an dessen Haltung sie sich jetzt aus Los Angeles und Vancouver erinnerte, ging fortwährend gebückt - das war Bobby Chombo, Bigends Haus- und Hofmathematiker. Er hatte noch immer denselben peinlichen Haarschnitt, die Hälfte des schmalen Gesichts hinter einem ungewaschenen, diagonal verlaufenden Vorhang verborgen. Auf dem Bild, das Fionas Libelle lieferte, sah er aus wie auf einem blassgrünen Stahlstich, in etwas gehüllt, das wie ein Bademantel aussah. Inchmale hatte ihn, nicht ohne Spott, als Neurastheniker bezeichnet. Und hinzugefügt, dass Neurastheniker wieder in Mode kämen - Bobby sei eben seiner Zeit voraus.
    Garreth

Weitere Kostenlose Bücher