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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Neugier.«
    Milgrims Augen brannten.
    »Es wird hier nicht von Ihnen erwartet, dass Sie sich bei mir bedanken«, sagte Bigend. »Ich hoffe, das ist Ihnen klar.« Milgrim schluckte. »Ja«, sagte er.
    »Ich möchte, dass Sie mit Hollis an dem anderen Projekt arbeiten«, sagte Bigend. »Dann werden wir sehen.« »Was werden wir sehen?«
    »Das werden wir dann schon sehen«, sagte Bigend und griff über die Schrotflinte hinweg nach dem grauen Ordner. »Gehen Sie in Ihr Hotel zurück. Wir rufen Sie an.«
    Milgrim stand auf und ließ die Hackett-Tasche sinken, die das erschrocken dreinblickende digitale Porträt von ihm verdeckt hatte, das an dem Band aus grünlichgelbem Nylon an seinem Hals baumelte.
    »Wozu tragen Sie das?«
    »Das ist so Vorschrift«, sagte Milgrim. »Weil ich nicht hier arbeite.«
    »Erinnern Sie mich daran, dass wir das ändern«, sagte Bigend und öffnete den grauen Ordner, der einen dicken Papierstapel enthielt, offenbar Ausschnitte aus japanischen Zeitschriften.
    Milgrim, der bereits die Tür hinter sich schloss, erwiderte nichts.

13. Bisamratte
    »Die haben Bisamratte gegessen«, sagte Heidi, während sie im grobkörnigen Sonnenlicht zu Selfridges schlenderten, wo sie einen Termin bei Hollis' Coiffeur hatte, »aber nur freitags.« »Wer?«
    »Die Belgier. Die Kirche hat es abgesegnet, weil Bisamratten im Wasser leben, wie Fische.« »Das ist doch lächerlich.«
    »Es steht im Larousse Gastronomiques, sagte Heidi. »Schlag es nach, oder frag deinen Boss! Dem sieht man auch an, dass er das gegessen hat.«
    Hollis' iPhone klingelte, als sie sich der Oxford Street näherten. Sie warf einen Blick auf das Display. Blue Ant. »Hallo?« »Hubertus.«
    »Essen Sie freitags Bisamratte?« »Warum fragen Sie?«
    »Ich verteidige Sie gegen rassistische Verleumdungen.« »Wo sind Sie?«
    »Auf dem Weg zu Selfridges, mit einer Freundin. Sie will sich die Haare schneiden lassen.« Sie hatte ihrem Coiffeur bis zum Anschlag in den Hintern kriechen müssen, um so kurzfristig einen Termin zu bekommen, aber Hollis glaubte fest daran, dass der richtige Haarschnitt eine starke therapeutische Wirkung hatte. Und Heidi wiederum machte inzwischen nicht mehr den Eindruck, als hätte sie einen Kater oder als litte sie unter Jetlag.
    »Was machen Sie währenddessen?«, fragte Bigend.
    Hollis überlegte, ob sie Bigend sagen sollte, dass sie sich ebenfalls die Haare schneiden lassen würde, aber es schien den Aufwand nicht wert. »Was haben Sie im Sinn?«
    »Mein Freund, mit dem wir Tapas essen waren«, sagte er. »Ich möchte, dass Sie sich miteinander unterhalten.«
    Der Übersetzer, der Hunde mochte. »Warum?«
    »Das wird sich zeigen. Nutzen Sie die Gelegenheit, während Ihre Freundin sich die Haare schneiden lässt. Aldous wird ihn gleich vorbeibringen. Wo kann er Sie treffen?«
    »Von mir aus in der Lebensmittelabteilung«, sagte Hollis. »Vor der Patisserie.«
    Er legte auf.
    »Mist«, sagte Hollis.
    »Bisamratte«, sagte Heidi, zog Hollis zu sich heran, stürzte sich wie ein Eisbecher in den unbarmherzigen Strom der Spaziergänger, der nachmittags die Oxford Street entlangbrandete, und nahm Kurs auf Selfridges. »Du arbeitest tatsächlich für ihn.«
    »Sieht fast so aus«, sagte Hollis.

    »Hollis?«
    Sie blickte auf. »Milgrim«, sagte sie, als ihr sein Name einfiel, den Bigend am Telefon nicht hatte nennen wollen. Er hatte sich rasiert und wirkte ausgeruht. »Ich nehme einen Salat. Möchten Sie auch etwas?«
    »Gibt es hier Croissants?«
    »Ganz bestimmt.« Irgendetwas an seinem Verhalten fand sie äußerst sonderbar, und das, obwohl sie nur drei Worte miteinander gewechselt hatten. Er machte auf sie einen sehr netten, geradezu liebenswürdigen Eindruck, schien allerdings auch ungewöhnlich wachsam zu sein, als lauerte in seinen Augen noch etwas anderes.
    »Dann hätte ich gerne eines«, sagte er, und sie schaute ihm nach, wie er zur nächsten Theke ging. Heute trug er eine dunkle Hose und dasselbe dünne Sakko.
    Zurück kam er mit einem weißen Tablett. Ein Croissant, eine kleine, rechteckige Scheibe Pastete und eine Tasse Kaffee.
    »Sie sind Russisch-Übersetzer, Mister Milgrim?«, fragte sie. »Einfach nur Milgrim«, sagte er. »Und ich bin kein Russe.« »Aber Sie übersetzen aus dem Russischen?« »Ja«, sagte er.
    »Sie arbeiten für Hubertus? Für Blue Ant?«
    »Ich bin nicht bei Blue Ant angestellt. Sondern eher so etwas wie ein Freiberufler. Für Hubertus habe ich ein paar Sachen übersetzt. Hauptsächlich

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