Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Möglichkeiten. Dann hat er mich nach Basel geschickt.«
    »In die Schweiz?«
    »Um mich zu heilen. Wenn Sie mir die Frage gestatten - warum arbeiten Sie für ihn?«
    »Das frage ich mich auch«, sagte sie. »Es ist nicht das erste Mal, und nach dem ersten Mal wollte ich nicht, dass es ein zweites Mal gibt. Aber es hat sich als sonderbar lukrativ erwiesen, dieses erste Mal, in vielerlei Hinsicht, und meist hatte das weniger mit ihm zu tun. Dann habe ich beim Crash einen Haufen Geld verloren und wusste nicht so recht, was ich sonst tun sollte, und plötzlich besteht er darauf, dass ich das hier mache. Ganz wohl fühle ich mich dabei nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Wirklich?«
    »Ich kann es nach vollziehen«, sagte Milgrim. »Warum arbeiten Sie für ihn?«
    »Ich brauche einen Job«, sagte Milgrim. »Außerdem ... hat er die Klinik gezahlt, in Basel. Meinen Entzug.« »Er hat Sie zur Entgiftung geschickt?«
    »Das war sehr teuer«, sagte er. »Teurer als ein gepanzerter Pick-up. Wie bei der Mafia.« Er rückte sein Messer und seine Gabel auf dem weißen Teller zwischen den Krümeln gerade. »Ziemlich verwirrend, das alles«, sagte er. »Und jetzt möchte er, dass ich mit Ihnen zusammenarbeite.« Er blickte von seinem Teller hoch, und beide Bestandteile seines fragmentierten Ichs schienen sie zum ersten Mal gleichzeitig anzuschauen. »Warum singen Sie nicht mehr?«
    »Weil ich eben nicht singe«, sagte sie.
    »Aber Sie sind berühmt! Sie müssen berühmt gewesen sein. Das Poster.«
    »Darum geht es mir nicht«, sagte sie.
    »Ich finde nur, dass das einfacher sein müsste. Für Sie, meine ich.« »Wäre es aber nicht«, sagte sie. »Das tut mir leid«, sagte er.

14. Der gelbe Helm
    Auf der Shaftsbury Avenue, unterwegs zu Milgrims Hotel, im leichten Regen, hielt an einem Fußgängerüberweg ein Kurier auf einem schmutzigen grauen Motorrad neben dem Hilux. Aldous fuhr das Fenster auf der Beifahrerseite herunter, wobei Regentropfen an dem kugelsicheren Glas hinabliefen. Der Fahrer, der einen Helm trug, holte einen Umschlag aus seiner Jacke und reichte ihn Milgrim. Sein Handschuh sah aus wie eine mit Kevlar gepolsterte Roboterhand. Das Fenster glitt wieder hoch, während das Motorrad davonfuhr und sich durch den Verkehr auf den Fahrspuren vor ihnen schlängelte. Der gelbe Helm des Fahrers verschwand in der Ferne. Die Rückseite des Helms wies ein paar Kratzer auf, als hätte er einen Schlag von einer gewaltigen Pranke abbekommen. An diesen Stellen schimmerte der weiße Untergrund der Farbe durch.
    Milgrim blickte auf den Umschlag hinab. In der Mitte stand, in den handgeschriebenen Großbuchstaben eines Comiczeichners, sein Name und in der unteren rechten Ecke das Kürzel PM. Pamela. Als er ihn öffnete, fühlte sich der Umschlag leer an, oder jedenfalls fast leer. Eine schlaffe transparente Prospekthülle, die ein ausgedrucktes Bild von seiner Polizistin aus dem Caffè Nero enthielt. Allerdings befand sie sich hier nicht im Caffè Nero. Hinter ihr waren eindeutig die hundsköpfigen Engel aus der Gay Dolphin Gift Cove zu erkennen. Außerdem trug sie ein rotes Sweatshirt, auf dem jedoch dasselbe weiße Logo mit Mond und Palme zu sehen war, allerdings in einer anderen Farbkombination. Hatte Sleight dieses Foto gemacht? Es wirkte wie ein heimlicher Schnappschuss. Milgrim stellte sich vor, wie sie in der Economy-Kabine desselben British Midland-Fluges schlief wie er.
    Mit einem Mal schallten die Auftaktakkorde von »Draw Your Brakes« von Toots and the Maytals durch den Wagen. »Aldous«, sagte der Fahrer in sein iPhone. »Ja, sicher.« Er reichte das Handy an Milgrim weiter.
    »Sehen Sie?«, sagte Bigend.
    »Das ist sie«, erwiderte Milgrim. »Als ich dort war?«
    Da er sich daran erinnerte, was Bigend ihm zum Thema Telefone geraten hatte, fragte er nicht, wo oder wie sie das Bild gefunden hatten. »Mehr oder weniger«, sagte Bigend und legte auf. Milgrim gab das iPhone wieder in Aldous' große, wartende, perfekt manikürte Hand zurück.

15. Der Briefkasten
    »Fitzroy«, tönte Clammy aus ihrem iPhone. Sie starrte zur runden Unterseite des Vogelkäfigs in Nr. 4 hinauf, nachdem sie die frisch frisierte Heidi im Selfridges zurückgelassen hatte, wo sie ausprobieren wollte, welche der Kreditkarten von Schwanzlurch noch funktionierten.
    »Fitzroy?«
    »Der Stadtteil von Melbourne«, sagte Clammy. »Um die Brunswick Street herum. Die Rose Street geht direkt von der Brunswick ab. Und dort gibt es einen Künstlermarkt. Mere hat mich

Weitere Kostenlose Bücher