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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Literatur.« Hungrig betrachtete er seinen Teller.
    »Bitte«, sagte sie und nahm ihre Salatgabel. »Fangen Sie ruhig an! Wir können uns nachher unterhalten.«
    »Ich habe das Mittagessen verpasst«, sagte er. »Ich muss essen, wegen meiner Medikamente.«
    »Hubertus hat erwähnt, dass Sie in Behandlung waren.«
    »Drogen«, sagte er. »Ich bin suchtkrank. Auf dem Weg der Besserung.« Das war es, das Ding, das sie von irgendwo aus seinem Inneren heraus beobachtete, ja geradezu taxierte.
    »Was für welche?«
    »Rezeptpflichtige Beruhigungsmittel. Klingt einigermaßen akzeptabel, nicht wahr?«
    »Schon möglich«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, dass es deshalb irgendwie leichter ist.«
    »Ist es auch nicht«, sagte er, »denn die Ärzte haben mir schon lange nichts mehr verschrieben. Ich habe meine Sucht auf der Straße befriedigt.« Er schnitt sich ein Stück von der Fleischpastete ab.
    »Ich hatte mal einen Freund, der war heroinabhängig«, sagte Hollis. »Er ist gestorben.«
    »Das tut mir leid«, sagte Milgrim. Und begann zu essen.
    »Es ist schon Jahre her.« Sie stocherte in ihrem Salat.
    »Was machen Sie für Hubertus?«, fragte er.
    »Ich arbeite auch freiberuflich«, sagte sie. »Aber was ich da genau mache, weiß ich nicht. Noch nicht.«
    »Das ist typisch für ihn.« Etwas auf der anderen Seite des Verkaufsraums stach ihm ins Auge. »Laubgrün«, sagte er. »Die Hosen dort.« »Wo?«
    »Jetzt ist er weg. Kennen Sie Kojotenbraun?« »Wen?«
    »Das war beim US-Militär lange Zeit Mode. Laubgrün ist neuer, trendiger. Kurzzeitig war Alphagrün im Vormarsch, aber Laubgrün ist momentan angesagt.«
    »Das US-Militär kümmert sich um modische Farbtöne?«
    »Aber selbstverständlich«, sagte Milgrim. »Spricht Hubertus darüber nicht mit Ihnen?«
    »Nein.«
    Er hielt noch immer Ausschau nach der Hose, auf die er einen kurzen Blick erhascht hatte. »Im Handel werden Sie diesen Farbton nicht häufig zu sehen bekommen. Nächstes Jahr vielleicht. Ich kenne nicht einmal die Pantone-Nummer.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Fleischpastete zu und aß sie schnell auf. »Tut mir leid. Mir fällt es schwer, mich auf jemand einzustellen, den ich nicht kenne.«
    »Das Gefühl habe ich nicht. Sie reden nicht lange um den heißen Brei herum, habe ich recht?«
    »Das hat er auch gesagt«, sagte Milgrim und blinzelte. Sie vermutete, dass er Bigend meinte. »Ich habe ein Bild von Ihnen gesehen«, sagte er. »Auf einem Poster. Am St. Mark's, glaube ich. In einem Secondhand-Plattenladen.«
    »Das ist ein ziemlich altes Bild.«
    Milgrim nickte, riss sein Croissant in zwei Hälften und bestrich es mit Butter.
    »Spricht er mit Ihnen über Denim?«
    Milgrim blickte hoch und schüttelte den Kopf, den Mund voller Croissant.
    » Gabriel Hounds?« »Wer?«
    »Das ist eine geheime Jeansmarke. Darauf hat mich Hubertus angesetzt, wenn ich mich nicht täusche.« »Aber was genau ist Ihre Aufgabe?«
    »Ich stelle Nachforschungen an. Ich versuche herauszufinden, wo sie herkommt. Wer sie herstellt. Warum die Leute sie mögen.« »Warum mögen die Leute sie?«
    »Möglicherweise, weil sie so schwer zu bekommen ist.« »Ist das eine?«, fragte Milgrim und betrachtete ihre Jacke. »Ja.«
    »Gut gearbeitet. Aber nicht von der Armee.«
    »Nicht, dass ich wüsste. Warum interessiert er sich plötzlich für Mode?«
    »Tut er gar nicht. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn.« Und das im Hintergrund lauernde Ding war wieder da, hinter jener Ecke in seinem Innern, und sie spürte seine Intelligenz. »Wussten Sie, dass es eine Handelsmesse nur für Hersteller gibt, die Ausrüstung für das Marine Corps produzieren möchten?«
    »Nein. Waren Sie mal dort?«
    »Nein«, sagte Milgrim. »Ich habe sie verpasst. Sie findet in South Carolina statt. Da war ich gerade. In South Carolina.«
    »Was genau machen Sie für Hubertus, das mit Kleidung zu tun hat? Sind Sie Designer? Vermarkter?«
    »Nein«, sagte Milgrim. »Mir fallen Dinge auf. Ich habe ein Auge für Details. Was ich bisher nicht wusste. Das war etwas, auf das er mich in Vancouver aufmerksam gemacht hat.«
    »Haben Sie bei ihm gewohnt? In dem Penthouse?«
    Milgrim nickte.
    »In dem Zimmer mit dem Magnetbett?«
    »Nein«, sagte Milgrim. »In einem kleineren Zimmer. Ich musste ... mich konzentrieren.« Er aß das letzte Stück Croissant auf und trank einen Schluck Kaffee. »Ich wurde in eine Anstalt eingewiesen. In großen Räumen habe ich mich unwohl gefühlt. Da gab es zu viele

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