System Neustart
verfolgt hatte. »Nicht?«
»Sie hat uns angerufen. Definitiv nicht. Wäre nett, wenn Sie uns einen Schnappschuss von Paris schicken könnten.«
Hollis. Pamela musste aufpassen, was sie sagte, weil Bigend Sleight und dem Neo nicht traute. »Ich werd's versuchen«, sagte Milgrim.
»Viel Spaß«, sagte sie und beendete das Gespräch.
Milgrim legte seine Tasche auf die Zinktheke, öffnete den Reißverschluss und holte seine Kamera heraus. Er lud sie mit einer frischen Karte. Blue Ant hatte die behalten, die er in Myrtle Beach benutzt hatte. Das machten sie immer so. Er überprüfte die Batterien und steckte die Kamera dann in seine Jackentasche. Hollis' Laptop verstaute er in seiner Tasche und schloss den Reißverschluss. Er legte ein paar Münzen auf die Zinktheke, verließ den Laden und ging raschen Schritts zurück zum Salon du Vintage.
War er immer noch wütend? Nein, stellte er fest. Er war jetzt viel ruhiger. Er wusste, dass er Bigend nichts von Winnie erzählen würde. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden ließ.
Inzwischen war es wärmer geworden, die Wolken lösten sich langsam auf. Paris kam ihm irgendwie unwirklich vor, so wie auch London immer, wenn er dort eintraf. Merkwürdig, wie diese beiden Städte stets Rücken an Rücken existiert hatten, so nah beieinander und doch so weit entfernt wie die beiden Seiten einer Münze. Und nun verband sie ein Wurmloch, das aus einem schnellen Zug und etwas mehr als 20 Meilen Tunnel bestand.
Nachdem er zum Salon du Vintage zurückgekehrt war und die fünf Euro Eintritt bezahlt hatte, gab er seine Tasche an der Garderobe ab was er nicht gerne tat. Er hatte selber genug abgegebenes Gepäck gestohlen, um zu wissen, dass Garderoben ein Paradies für Diebe waren. Andererseits war er ohne seine Tasche mobiler. Er schenkte der Japanerin an der Garderobe ein Lächeln, steckte seine Gepäckmarke ein und betrat die Messe.
Seine Therapeutin hatte immer gesagt, er sei eher in der Welt der Dinge zu Hause als in der der Menschen. Und beim Salon du Vintage ging es um greifbare Dinge. Während er eine schön restaurierte Treppe in den zweiten Stock hinaufstieg, versuchte er in Gedanken, sich in einen typischen Besucher des Salon du Vintage zu verwandeln, um weniger aufzufallen.
Das Erste, was er im zweiten Stock sah, war das Poster einer jüngeren Hollis, die zugleich nervös und verrucht aussah. Offenbar handelte es sich nicht um das echte Poster, sondern um eine amateurhafte Reproduktion, die etwas überdimensioniert und recht grobkörnig war. Er fragte sich, was sie wohl denken würde, wenn sie sie sah.
Von ihm waren in den letzten zehn Jahre nur sehr wenige Fotos geschossen worden, und Winnie hatte wahrscheinlich die meisten gesehen. Vermutlich konnte sie sie jederzeit per E-Mail verschicken, falls irgendjemand ihn identifizieren sollte. Die meisten Fotos waren von der Polizei aufgenommen worden, und er fragte sich, ob er sich selbst darauf erkennen würde. Auf dem Foto, das sie im Caffe Nero an der Kreuzung Seven Dials gemacht hatte, auf jeden Fall. Und das wäre auch das Foto, das sie benutzen würde.
Der junge Mann mit der Feldmütze und der laubgrünen Hose kam aus einem Seitengang aus Kleiderständern. Der Reißverschluss seiner schwarzen Jacke war immer noch geschlossen. Seine Aufmerksamkeit wurde von einer Gruppe junger japanischer Mädchen abgelenkt, die an ihm vorbeihuschten. Seine verspiegelte Rundumsonnenbrille hatte er abgenommen. Milgrim trat einen Schritt zur Seite und versteckte sich hinter einer Schaufensterpuppe, die ein Print-Kleid mit einem verwirrenden Muster trug. Den Mann behielt er über die stark gepolsterte Schulter der Puppe hinweg im Auge und fragte sich, was er tun sollte. Wenn Laubfrosch bereits wusste, dass er hier war, und ihn gesehen hatte, würde er ihn von Selfridges wiedererkennen. Oder von South Carolina. Winnie war dort gewesen und hatte ihn beobachtet, und irgendjemand, wahrscheinlich Sleight, hatte sie fotografiert. Sollte er ihr davon erzählen? Er würde darüber nachdenken. Laubfrosch ging jetzt von ihm weg auf das andere Ende des Gebäudes zu. Milgrim erinnerte sich an den Mann mit dem Vokuhila in dem eingemotteten Restaurant. Laubfrosch ähnelte ihm nicht im Geringsten, und das war gut so. Er trat hinter dem Gaultier hervor und folgte ihm. Sollte der Mann ihn entdecken, würde er einfach weiterlaufen, als sei nichts geschehen. Und wenn er ihn nicht bemerkte, wäre das natürlich umso besser. Das Wichtigste war, dass er nicht
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