Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
sie und schüttelte ihm die Hand. »Und dir?«
    »Hab keinen Bissen mehr gegessen, seit die Japsen Mere abgeschleppt haben. Zum guten Verkäufer fehlt mir einfach das Gen.«
    Oxford, hatte Inchmale über George gesagt, als sie gestern Abend nachgehakt hatte. Einen Abschluss in P&E vom Balliol. Woran sie sich wohl deshalb so genau erinnerte, weil sie absolut keine Ahnung hatte, was es bedeutete, außer dass George für seine derzeitige Tätigkeit völlig überqualifiziert war. »Und bitte erzähl das niemandem«, hatte Inchmale hinzugefügt.
    »Dann ist ja gut, dass du es nicht brauchst«, sagte sie und betrachtete acht sehr zierliche, identisch geschnittene Chanelkostüme, die auf nüchternen dunkelgrauen Schneiderpuppen ausgestellt waren offenbar Meredith Overtons ganzes Angebot. Sie waren alle aus demselben dicken Stoff mit einem blassorangenen und senffarbenen, stark vergrößerten Hahnentrittmuster gefertigt. Hollis konnte sich entfernt an Topfhandschuhe aus ähnlich festem Material erinnern. Einmal aber nur einmal — hatte sie sogar eine Frau gesehen, der ein solches Kostüm wirklich gestanden hatte, und zwar in Cannes. Damals war sie zu der Feststellung gelangt, dass es damit zusammenhing, dass sich die beiden Teile entschieden weigerten, sich dem Körper anzupassen. Jetzt sah sie, dass die Kleidungsstücke mit einem schmalen, mit durchsichtigem Kunststoff ummantelten Stahlseil gesichert waren. »Sind sie sehr wertvoll?«
    »Hoffentlich. Sie hat sie bei einer Haushaltsauflösung in Sydney erstanden. Angefertigt wurden sie Anfang der Achtzigerjahre für einen äußerst erfolgreichen Bauunternehmer. Einzelstücke aus exklusivem Gewebe. Die Verkäufer hatten keine Ahnung, aber um einen wirklich guten Preis dafür zu bekommen, bleibt nur diese Messe oder Tokio. Die wichtigsten japanischen Einkäufer sind alle hier, und Paris hat außerdem noch eine gewisse Symbolwirkung. Sie sind hier hergestellt worden.«
    »Sie muss winzig gewesen sein«, sagte Hollis und streckte die Hand nach einem mit Stoff bezogenen Knopf aus, hielt dann jedoch inne.
    »Würdest du gerne eine Fotografie von ihr in einem der Kostüme sehen?«
    »Wirklich?«
    »Mere hat sie in Zeitschriften entdeckt, in australischen Hochglanzmagazinen. Es gibt sogar eine kurze Videoaufnahme.«
    »Nein, danke«, sagte Hollis, weil ihr die acht Schneiderpuppen in den hellen Kostümen plötzlich wie Grabstatuen vorkamen — verdinglichte Macht, Fetische einer verstorbenen Schamanin, mit okkulter Energie aufgeladen.
    »Es gibt auch noch ein paar Handtaschen. Wie neu. Mere hat sie dabei, will sie aber lieber nicht ausstellen. Weil sie etwas erschwinglicher sind, müsste sie sie nur ein paarmal zeigen. Aber sie möchte nicht, dass sie von den Kunden begrabscht werden.«
    »Hat Clammy dir erzählt, hinter was ich her bin, George?«
    »Nicht genau, aber wenn ich dich so sehe, dann geht es wohl um deine Jacke.«
    Es kam ihr komisch vor, dass jemand, der nicht zu Bigends Umfeld gehörte, von den Hounds redete. »Was weißt du denn darüber?«
    »Nicht mehr als Clammy, nehme ich an. Mere kann sehr zurückhaltend sein. Bei solchen Geschäften geht es mehr darum, ein Geheimnis zu bewahren, als für etwas zu werben.«
    »Wie das?«
    »Es gibt nicht viele ernsthafte Käufer. Aber eine ganze Menge ernsthafte Händler.«
    Als sie sich im Cabinet kennengelernt hatten, war er ihr sofort sympathisch gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Also beschloss sie, ihm zu vertrauen. Wie immer wunderte sie sich selbst darüber, aber nachdem sie die Entscheidung einmal gefällt hatte, nahm sie die Dinge, wie sie kamen. »Clammy hat gesagt, dass Mere jemanden kannte, als sie in London aufs College ging«, sagte sie. »Jemanden, der mit Gabriel Hounds zu tun hatte.«
    »Das ist möglich.« George lächelte. Die Proportionen seines Kopfes waren äußerst merkwürdig - Kiefer und Wangenknochen kolossal, die Augenbrauen zusammengewachsen, die Stirn kaum zwei Fingerbreit unter seinem Stoppelhaarschnitt. »Aber ich halte mich da besser raus.«
    »Wie lange seid ihr schon zusammen?«
    »Kurz bevor Clammy sie in Melbourne kennengelernt hat. Na ja, ganz stimmt das nicht, aber ich war schon ziemlich verknallt in sie. Sie behauptet, ihr sei das damals noch nicht so ergangen, aber ich hab da so meine Zweifel.« Er lächelte.
    »Lebt sie drüben in London? Hier?«
    »Melbourne.«
    »Das ist ein ganz schönes Stück weit weg.«
    »Wohl wahr.« Er runzelte die Stirn. »Inchmale«, sagte er,

Weitere Kostenlose Bücher