System Neustart
»wenn du schon mal hier bist.« »Ja?«
»Kannst du mir da einen Rat geben? Irgendwas, das uns die Zusammenarbeit mit ihm erleichtern würde?«
»Ihr werdet bald nach Arizona gehen«, sagte sie. »Nach Tucson. In ein kleines Studio - der Betreiber ist Inchmales Lieblingstoningenieur. Anfangs werden sie mit euren Londoner Basistracks ein paar erschreckende Dinge machen. Lasst sie! Dann werdet ihr so ziemlich das ganze Album noch einmal aufnehmen. In einem Rutsch und fast schmerzlos. Ich kann mir vorstellen, dass ihr mit dem Ergebnis äußerst zufrieden sein werdet. Clammy habe ich das bereits erzählt, aber ich weiß nicht, ob ich durchgedrungen bin.«
»Bei dem ersten Album, das er für uns produziert hat, lief das noch nicht so, und da war Tucson ganz in der Nähe.«
»Da wart ihr noch nicht so weit. Was den Arbeitsprozess anging. Jetzt seid ihr es. Jedenfalls fast, würde ich sagen.«
»Danke«, sagte er. »Gut zu wissen.«
»Ruf mich an, wenn ihr es gar nicht mehr aushaltet. Das bleibt nicht aus. Clammy jedenfalls wird ziemlich darunter leiden. Aber ihr habt es mit ihm gewagt, also lasst ihn machen — er wird auf den Füßen landen, und das Album mit ihm. Er ist schon in Höchstform nicht besonders diplomatisch, und er ist es noch weniger, je tiefer er sich in etwas hineinwühlt. Weißt du, wann Mere wieder zurück sein wird?«
Er warf einen Blick auf eine riesige Armbanduhr von der Farbe eines Spielzeugfeuerwehrautos. »Sie ist jetzt fast 'ne Stunde weg«, sagte er, »aber ich hab keine Ahnung. Ich werd auch langsam ungeduldig. Ich brauche unbedingt einen Kaffee.«
»Das Café im Innenhof?«
»Wunderbar. Groß und schwarz?«
»Wird erledigt«, sagte sie.
»Du kannst den Fahrstuhl nehmen«, sagte er und wies ihr die Richtung. »Danke.«
Es war ein deutsches Modell, die Kabine mit gebürstetem Edelstahl verkleidet - das philosophische Gegenstück zu dem Fahrstuhl im Cabinet, aber nicht viel größer. Sie drückte auf die i, aber als sie an der o vorbeifuhr, wurde ihr klar, dass sie auf —i gedrückt hatte.
Die Tür öffnete sich, und vor ihr lag, in trübes blaues Licht getaucht, ein völlig stiller, leerer Raum.
Sie trat hinaus.
Ein uraltes Kreuzgewölbe, das sich zur Straße hin in der Ferne ver lor, von verdeckten Diskothekenstrahlern erleuchtet, die stark gedimmt waren. Ein improvisiertes Gehege von Dingen, die im Salon du Vintage vielleicht noch gebraucht wurden, im Schatten der Rundbögen auf nacktem Stein. Zusammenklappbare, verchromte Musterständer, ein paar Schneiderpuppen, die in diesem Licht sehr daliesk wirkten.
Alles ziemlich wunderbar unerwartet.
Und dann kam, weit hinten unter dem blauen Gewölbe, jemand die Treppe herunter. Jemand, auf den haargenau Milgrims Beschreibung passte. Die Mütze mit dem schmalen Schirm, die kurze schwarze Jacke, bis oben hin zugezogen.
Er sah sie.
Sie trat zurück in den Fahrstuhl und drückt auf die o.
22. Laubfrosch
Hollis' Laptop fest unter den Arm geklemmt und die Tasche über die andere Schulter gehängt, ging Milgrim rasch eine kleine Straße entlang, die von der wegführte, in der die Messe für Vintagemode stattfand.
Er brauchte WLAN. Inzwischen bedauerte er es, dass er sich nicht den roten Dongle geliehen hatte.
Er kam an einem Laden namens Bless vorbei, den er zunächst fälschlicherweise für eine Bar hielt. Doch dann sah er, dass es ein Bekleidungsgeschäft war. Da drinnen mochte es jemand geben, der über Hollis' Phantom-Jeansmarke Bescheid wusste oder zumindest vorgeben würde, etwas zu wissen, dachte er, als er durch das Schaufenster hineinschaute.
Er ging weiter und führte dabei im Geist ein Gespräch mit seiner Therapeutin, in dem es um seinen Gemütszustand ging. Da er sich seit der Pubertät stets große Mühe gegeben hatte, jegliche Gefühle zu vermeiden, brauchte er oft ein therapeutisches Gespräch, um auch nur die einfachsten seiner Gefühle zu erkennen.
Er stellte fest, dass er wütend war. Obwohl er bisher noch nicht wusste, auf wen oder was. Wenn die Spezialagentin Winnie Tung Whitaket den Mann in der laubgrünen Hose geschickt und ihm nichts davon gesagt hatte, wäre er wahrscheinlich wütend auf sie. Oder zumindest enttäuscht. Das wäre kein guter Einstieg in das, was er für eine professionelle Zusammenarbeit hielt. Oder vielleicht, gab seine innere Therapeutin zu bedenken, war er auch wütend auf sich selbst. Dann wäre die Sache komplizierter, und es wäre schwieriger, sie zu analysieren, aber zugleich wäre
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