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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hockte auf dem Rand des Pibloktoq-Bettes wie ein von einem teuren Friseur herausgeputzter Gargoyle; ihre blassen Knie lugten aus den Löchern in ihren Jeans hervor, und ihre langen Zehen mit den schwarz lackierten Nägeln ruhten auf der aus Walrosszahn geschnitzten Zierleiste. »Ist die Nummer in dein Handy einprogrammiert?«
    »Nein«, sagte Hollis, die in der Mitte des Zimmers stand und das Gefühl hatte, in der Falle zu sitzen. Die insektoide Tapete schien immer näher zu rücken. Die Büsten und Masken und zweiäugigen Darstellungen starrten sie an.
    »Schlechtes Zeichen«, sagte Heidi. »Wo hast du sie?«
    »In meinem Geldbeutel.«
    »Du weißt sie nicht auswendig?«
    »Nein.«
    »Aber das ist doch eine Notfallnummer!« »Ich dachte, ich brauche sie nie.«
    »Du wolltest sie nur mit dir herumtragen. Weil er sie aufgeschrieben hat.«
    Hollis wandte den Blick ab und schaute durch die offene Tür ins Badezimmer, wo frische Handtücher zum Aufwärmen über den horizontalen Röhren der Zeitmaschinendusche hingen.
    »Her damit!«, sagte Heidi.
    Hollis holte ihren Geldbeutel aus ihrer Handtasche und das iPhone gleich mit. Der kleine Zettel, den er vom Briefpapierblock des Tribeca Grand abgerissen hatte, war immer noch da, hinter der Amex-Karte, die sie nur im Notfall benutzte. Sie zog ihn heraus und reichte ihn Heidi.
    »Amerikanische Vorwahl?« »Mobil. Kann überall sein.«
    Heidi vergrub die andere Hand in einer Gesäßtasche ihrer Jeans und holte ihr iPhone hervor. »Was machst du da?«
    »Ich speichere die Nummer.« Als sie damit fertig war, gab sie Hollis den Zettel zurück. »Hast du dir überlegt, was du sagen willst?« »Nein«, sagte Hollis. »Darüber kann ich jetzt nicht nachdenken.« »Gut so«, sagte Heidi. »Also los. Aber stell dein Handy laut!« »Warum?«
    »Weil ich mithören muss. Du erinnerst dich vielleicht hinterher nicht mehr an das, was du gehört hast, aber ich schon.«
    »Verdammter Mist«, sagte Hollis, setzte sich an das Fußende des Bettes und stellte ihr Handy laut.
    »Wohl wahr«, stimmte Hollis ihr zu. »Ruf ihn an!«
    Hollis tippte die Zahlen ein.
    »Gib seinen Namen ein«, sagte Heidi. »Und Speicher die Nummer!«
    Hollis gehorchte.
    »Leg sie auf Schnellwahl.«
    »Die verwende ich nie.«
    Heidi stieß ein leises Schnauben aus. »Ruf ihn an!« Hollis gehorchte. Augenblicklich erfüllte ein fremdartiger Klingelton das Zimmer. Es läutete fünf Mal. »Er ist nicht da«, sagte Hollis und blickte zu Heidi hoch. »Lass es klingeln!«
    Nach dem zehnten Klingeln ertönte ein leiser, unbestimmter, digitaler Ton. Jemand, vielleicht eine alte Frau, fing wie wild an zu schnattern, als wolle sie keine Widerrede zulassen, allem Anschein nach in einer arabischen Sprache. Nachdem sie dreimal etwas sehr nachdrücklich wiederholt hatte, herrschte plötzlich Stille. Dann folgte ein Piepton.
    »Hallo?« Hollis verzog das Gesicht. »Hallo! Hier ist Hollis Henry. Ich möchte mit Garreth sprechen.« Sie schluckte - fast hätte sie gehustet. »Ich habe gerade von deinem Unfall erfahren. Es tut mir leid. Ich mache mir Sorgen. Könntest du mich bitte anrufen? Ich hoffe, dich erreicht das. Ich bin in London.« Sie nannte ihre Nummer. »Ich ...« Der Aufnahmeton unterbrach sie, und sie zuckte zusammen.
    »Das war gut«, sagte Heidi und boxte ihr sanft gegen die Schulter.
    »Ich hab das Gefühl, ich muss mich gleich übergeben«, sagte Hollis. »Was ist, wenn er nicht anruft?«
    »Was ist, wenn doch?«
    »Genau«, sagte Hollis.
    »So oder so, wir haben was angestoßen. Der meldet sich schon.« »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    »Wenn du das bezweifeln würdest, hättest du dir das nicht angetan. Du hättest es nicht nötig.«
    Hollis seufzte und betrachtete das Telefon in ihrer Hand. »Ich geh nicht mit Ajay ins Bett«, sagte Heidi. »Hab mich schon gefragt«, sagte Hollis.
    »Ich geb mir alle Mühe, nicht mit Ajay ins Bett zu gehen.« Sie seufzte. »Das ist der beste Sparringpartner, den ich je hatte. Du glaubst gar nicht, was diese Squaddies alles draufhaben.«
    »Was sind Squaddies?«
    »Keine Ahnung.« Heidi grinste. »Ich glaube, das heißt einfach reguläre Soldaten‹, und dann ist es ein Witz, denn das sind sie nicht.« »Wo hast du sie eigentlich kennengelernt?«
    »Im Fitnessstudio. In Hackney. Das Jüngelchen am Empfang hat mir den Tipp gegeben. Robert. Der ist schnuffig. Ich bin mit dem Taxi hingefahren. Sie haben mich ausgelacht. Das sei nichts für Frauen. Ich musste erst Ajay den Hintern

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