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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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versohlen. Was nicht einfach war. Dabei ist er der Kleinste dort.«
    »Was sind das für Typen?«
    »Ex-Army irgendwas. Wenn man ihnen zuhört, weiß man nicht, ob sie noch dabei sind oder nicht. Rausschmeißer, Leibwächter, so was in der Art. Vielleicht arbeiten sie schwarz. Oder warten auf den nächsten Auftrag. Was weiß denn ich?«
    Hollis starrte noch immer ihr iPhone an. »Glaubst du, das war Koreanisch auf seiner Mailbox?« »Keine Ahnung«, sagte Hollis. Das Handy klingelte. »Na siehst du«, sagte Heidi und zwinkerte ihr zu. »Hallo?«
    »Schön, dass Sie wieder da sind!« Bigends Stimme erfüllte den Raum. »Ich bin auf dem Rückweg ins Büro. Wäre es Ihnen möglich, dorthin zu kommen? Wir sollten uns unterhalten.«
    Hollis schaute zu Heidi hinüber, Tränen in den Augen. Dann betrachtete sie wieder das Telefon.
    »Hallo«, sagte Bigend. »Sind Sie dran?«

40. Enigma-Rotoren
    Sein Zimmer ging auf den Kanal hinaus. Bisher war er sich nur sehr vage bewusst gewesen, dass es in London Kanäle gab. Allerdings waren es auch nicht so viele wie in Amsterdam oder Venedig. Aber es gab sie. Offenbar gehörten sie zu einer Welt, in die man nur durch die Hintertür gelangte. Einer Welt ohne Geschäfte und Wohnhäuser. Anscheinend handelte es sich um ein System von Wasserwegen, die ursprünglich für den Schwertransport gedacht gewesen waren. Jetzt tummelten sich dort die Einwohner der Stadt und die Touristen. Man konnte Bootsfahrten buchen, und die Kanäle wurden von Wegen für Radfahrer und Jogger gesäumt. Er musste an das Schiff mit der Videoleinwand auf der Seine denken, die Dottirs und Georges Band, die Bollards.
    Das Zimmertelefon klingelte. Er verließ das Badezimmer und nahm ab. »Hallo?«
    »Hier Voytek«, sagte eine Männerstimme mit einem Akzent, der Milgrim veranlasste, die Begrüßung auf gut Glück auf Russisch zu wiederholen.
    »Russisch? Ich nicht Russe. Sie vielleicht?«
    »Milgrim.«
    »Sie sind Amerikaner.« »Ich weiß«, sagte Milgrim.
    »Mein Laden«, sagte Voytek, dessen Name Milgrim, wie er sich jetzt erinnerte, von dem Brunch in Southwark her kannte, »liegt an Markt, in Nähe von Ihrem Hotel. Unten, in alten Ställen. Bringen Sie Ihr Gerät gleich.«
    »Wie heißt Ihr Geschäft?«
    »Biro Shack.«
    »Biro Shack? Wie der Kugelschreiber?« »Biro Shack. Und Sohn. Auf Wiedersehen.« ›Auf Wiedersehen.« Milgrim legte den Hörer auf die Gabel. Dann setzte er sich hin und loggte sich in seinen Twitter-Account ein.
    »Btt mldn«, hatte Winnie vor einer Stunde gepostet.
    »Camden Town Holiday Inn«, tippte er und fügte dann seine Zimmernummer und die Telefonnummer des Hotels hinzu. Drückte auf ›aktualisieren‹. Nichts.
    Das Telefon klingelte.
    »Hallo?«
    »Schön, dass Sie wieder da sind«, sagte Winnie. »Ich bin schon unterwegs zu Ihnen.«
    »Ich wollte gerade aufbrechen«, sagte Milgrim. »Arbeit. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
    »Wie sieht es bei Ihnen heute Abend aus?«
    »Bisher ist noch nichts geplant.«
    »Dann halten Sie ihn bitte für mich frei.«
    »Ich werde es versuchen.«
    »So weit weg bin ich nicht. Ich werde in Ihrer Nähe sein.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte Milgrim zu dem Telefon, obwohl sie bereits aufgelegt hatte. Und seufzte.
    Er hatte vergessen, Hollis ihren roten Dongle zurückzugeben, obwohl er ihn hier nicht mehr brauchte. Das würde er nachholen, wenn er sie das nächste Mal sah.
    Er klappte den Laptop zu und schob ihn in seine Tasche, die er bei seiner Ankunft ausgepackt hatte. Bigend hatte die Speicherkarte mit den Bildern von Laubfrosch haben wollten, und da er keine zweite hatte, nahm er die Kamera gar nicht erst mit.
    Auf dem Weg vom Zimmer zum Fahrstuhl fragte er sich, warum sie ausgerechnet hier ein Holiday Inn gebaut hatten, direkt am Kanal.
    Im Foyer wartete er am Empfang, während sich zwei Amerikaner erklären ließen, wie sie zum Victoria and Albert kamen. Er versuchte sie mit den Augen der jungen französischen Modeanalytikerin von Blue Ant zu betrachten. Ihre Kleidung entsprach dem, was sie als zeittypisch bezeichnen würde, allerdings nur, wenn sie in Würde hätte Patina ansetzen können. Patina war ihr äußerst wichtig. Daran erkannte man Qualität, hatte sie gesagt - solche Kleidungsstücke trugen sich nicht ab, sondern wurden immer schöner. Besorgniserregend war allerdings die Fälschung von Patina, wodurch mangelnde Qualität verborgen werden sollte. Bevor er von Bigends Vorstoß in Sachen Bekleidungsdesign vereinnahmt worden war,

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