System Neustart
grinste.
»Wir haben auf dich gewartet«, sagte Heidi. »Wenn du nicht aufgetaucht wärst, wären wir ins Studio gegangen. Ajay hat mir von deinem Freund erzählt, weißt du.«
»Ein Wahnsinnsspringer«, sagte Ajay in ernstem Tonfall und ließ die Figurine sinken. »Bin ihm zweimal begegnet, in der Kneipe. Hab aber leider nicht mit ihm geredet.«
»Weißt du, wo er ist?«, fragte Hollis. »Wie es ihm geht? Ich habe gerade erst von dem Unfall erfahren und mache mir solche Sorgen!«
»Weder noch, tut mir leid«, sagte Ajay. »Aber wenn sonst noch was schiefgelaufen wäre, hätten wir davon gehört. Der ist sehr beliebt, dein Typ. Hat ne Menge Fans.«
»Weißt du, wie ich das irgendwie rausfinden kann?«
»Er lebt sehr zurückgezogen. Keiner weiß genau, was er so macht, von den Sprüngen mal abgesehen. Soll ich das aufmachen?« Er hielt die Ameise in die Höhe. »Heidi hat das ideale Werkzeug dafür. Damit bastelt sie an ihrem ›Breast Chaser‹.« Wieder grinste er.
»Deinem was?«, fragte Hollis.
»Das gehört zu meiner Therapie«, erwiderte Heidi verärgert. »Hat mir mein Psychiater beigebracht.« »Was genau?«
»Plastikmodelle«, sagte Heidi. Sie erhob sich und setzte die Füße auf den Boden; ihre frisch lackierten Fußnägel glänzten schwarz.
»Dein Psychiater hat dir Modellbau beigebracht?«
»Er ist Japaner«, sagte Heidi. »Als Psychiater verdient man in Japan nicht genug. Die glauben da nicht dran. Also ist er nach L.A. ausgewandert. Seine Praxis ist ganz in der Nähe von Schwanzlurchs Büro, in Century City.«
Ajay war zu dem Schminktisch mit den kunstvollen Einlegearbeiten hinübergegangen, auf dem, wie Hollis jetzt sah, Plastikteile lagen, die noch am Gussrahmen befestigt waren, und außerdem Miniaturspraydosen und äußerst feine Pinsel. Das alles war auf einer dicken Schicht Zeitungen ausgebreitet. »Das dürfte genügen«, sagte er, setzte sich auf den niedrigen Hocker und griff nach einem schmalen Aluminiumstab mit einer gleichschenkligen Klinge. Hollis schaute ihm über die Schulter. Gegen den Spiegel gelehnt stand eine bunte Schachtel, auf der ein äußerst militant aussehender Roboterkrieger mit einem aztekisch anmutenden Kopfschmuck prangte, darunter, zwischen japanischen Schriftzeichen, das Wort »Breast Chaser« in serifenlosen Buchstaben.
»Warum heißt der so?«, wollte Hollis wissen.
»›Englisch‹«, sagte Heidi mit einem Schulterzucken. »Vielleicht meinten sie ›Beast‹? Manchmal gefällt ihnen aber auch nur die Form der Buchstaben. Es ist ein Anfängerset.« Dabei warf sie Ajay einen vorwurfsvollen Blick zu. »Da sag ich ihm, er soll mir ein Bandai-Modell besorgen, etwas aus der Gundam-Expertenserie. Der Goldstandard im Figurenmodellbau. Und was bringt er mir? Den verdammten ›Breast Chaser Galvion‹. Und findet das auch noch komisch. Weder Bandai noch Gundam. Ein Kinderset!«
»Tut mir leid«, sagt Ajay, der das offensichtlich nicht zum ersten Mal hörte.
»Du baust so was?«, fragte Hollis.
»Dann kann ich mich besser konzentrieren. Und es beruhigt. Fujiwara sagt, dass bei manchen Leuten nichts anderes hilft. Bei mir hat er recht.«
»Macht er das selbst auch?«
»Er ist ein Meister: Seine Airbrushtechnik ist unglaublich. Manche Teile fertigt er selbst an.«
»Möchtest du, dass ich das aufmache?« Ajay wackelte mit der Spitze des Rasiermessers.
»Ja«, sagte Hollis.
»Wenn es voller Anthrax ist, wird uns das noch leidtun.« Er zwinkerte ihr zu.
Heidi stand vom Bett auf und kam herüber. »Hey. Dass mir das nicht stumpf wird.«
»Ist aus Vinyl«, sagte Ajay, legte die Ameise auf den Rücken und setzte das Rasiermesser an. Hollis sah zu, wie die Spitze der Klinge seitlich in den Sockel hineinglitt. »Ja. Aufgeschlitzt und wieder zugeklebt. Kein Ding. Bitteschön.« Die Unterseite des Sockels lag flach auf dem Zeitungspapier, eine wenige Millimeter dicke, blaue Scheibe. »Na«, brummte Ajay und spähte in die beiden hohlen Beine der Ameise, »was haben wir denn da?« Er legte das Messer beiseite, nahm eine lange, schmale Pinzette mit abgeschrägten Spitzen und führte sie in eines der Beine ein. Dann blickte er zu Hollis hoch. »Achtung, hier kommt das ... Kaninchen!« Und zog langsam ein schwammartiges Stück gelben Schaumstoff heraus. Ließ es schlaff zwischen den scharfen Klauen der Pinzette baumeln. Ein Quadrat von etwas mehr als zwei Zentimeter Seitenlänge. »Das Kaninchen«, sagte er und ließ es fallen. »Und mein nächster Trick ...« Er schob die
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