T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
hörte, wie Wyatt die Hintertür öffnete. Er hatte ihr mitgeteilt, dass Trent und Ian irgendwann im Laufe des Tages zum Festland übergesetzt hatten; Wyatt war sich nicht sicher, ob sie zurückkehren würden. Demetria, die nach Jewel-Annes Tod völlig neben sich stand, war zumindest für diese Nacht bei einer ihrer Schwestern untergekommen und würde vermutlich nur noch einmal zurückkehren, um ihre Sachen abzuholen. Laut Wyatt war sie bereits auf der Suche nach einer neuen Stelle. Simon, Khloe und Virginia waren offenbar nach Hause gegangen. Blieb nur noch Dern. Würde er seinen Job behalten wollen, jetzt, da er seinen Halbbruder gefunden hatte? Unwahrscheinlich. Er hatte seine Aufgabe erfüllt, was sollte ihn da auf dieser abgeschiedenen Insel halten?
Ava stieg die Treppe hinauf und blieb zögernd auf dem Absatz zum ersten Stock stehen. Anstatt sich gleich in ihr Schlafzimmer zurückzuziehen, schlenderte sie die Galerie entlang zum hintersten Gästezimmer, wo sie aus dem Fenster spähte. Durch den Nebel war der Umriss des Pferdestalls zu erkennen, doch es brannte kein Licht hinter einem der oberen Fenster. Vermutlich war Dern noch nicht auf die Insel zurückgekehrt.
Albernerweise fühlte sie sich ohne ihn schrecklich allein.
Unweigerlich musste sie daran denken, wie er sie in seine Arme gezogen hatte, wie er sie geküsst hatte. Er hatte sie »Liebes« genannt, sie getröstet. Waren seit ihrem Besuch bei ihm wirklich erst vierundzwanzig Stunden vergangen?
Sie verließ das Gästezimmer und ging zu ihrem Schlafzimmer, als ihr auffiel, dass die Tür zum Kinderzimmer ein Stück offen stand. Sie spürte, wie ihre Knie anfingen zu zittern, doch sie zwang sich, weiterzugehen. Vor Noahs Zimmer blieb sie stehen, griff nach dem Knauf und zog die Tür zu. Eines Tages würde sie das Zimmer ausräumen, es konnte nicht ewig ein Schrein bleiben.
Du schaffst das, Ava. Nicht heute Nacht, aber du schaffst das. Irgendwie, irgendwann.
Sie ging über die Galerie zu ihrem Schlafzimmer und schaute über die Brüstung nach unten, ins Foyer. Aus dem Arbeitszimmer fiel ein Lichtstreifen über den Marmorfußboden.
Wyatt war wahrscheinlich zu aufgedreht, um schlafen zu können.
Gut. Sie hatte das gleiche Problem. So erschöpft sie auch war – es würde schwer sein, einzuschlafen, ihre Gedanken würden sie die ganze Nacht über wach halten.
Mit einem mulmigen Gefühl öffnete sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Das letzte Mal, als sie hier gewesen war, hatte das reinste Chaos geherrscht. Nun steckte sie den Kopf hinein und hatte das Gefühl, ein paar Tage zurückkatapultiert worden zu sein. Irgendwer – Graciela, Khloe, wenn nicht gar beide – hatte aufgeräumt und alles an seinen Platz gestellt. Bei näherem Hinsehen stellte Ava fest, dass der Teppich fehlte. Die Matratze war eine andere, wahrscheinlich stammte sie aus einem der Gästezimmer, auch die Decken und Laken waren neu. Die Polizei hatte ihr Bettzeug sicher mitgenommen, vermutete Ava.
Das schwarze Fingerabdruckpulver war verschwunden, und man konnte fast meinen, es wäre nichts geschehen. Das Leben ging weiter wie gewöhnlich.
Auf dem Nachttisch stand das Glasdöschen mit ihren Abendmedikamenten.
Wie immer. Als würde sie sie tatsächlich noch nehmen.
Einen Augenblick lang zog sie in Erwägung, die Tabletten zu schlucken.
Warum nicht? Rein mit dir ins Land der Träume! Vierundzwanzig Stunden durchschlafen – wäre das nicht der Himmel?
Heute Nacht kannst du ohnehin nichts mehr tun, Reece sitzt hinter Gittern, alle sind in Sicherheit. Entspann dich!
»Ja«, sagte sie laut und atmete tief durch, »ich sollte mich wirklich mal entspannen.«
Sie nahm die Tabletten und steckte sie sich in den Mund. Das Wasserglas auf dem Nachttisch war leer. Also war doch etwas anders als sonst. Sie ging ins Badezimmer, eigentlich um Wasser zu holen, doch aus reiner Gewohnheit spuckte sie die bunten Pillen in die Toilette und zog ab. Woher sollte sie wissen, was genau sie ihr verabreichten? Nur weil Reece verhaftet und Jewel-Anne tot war, war Avas Leben noch lange nicht wieder in Ordnung.
Sie öffnete das Medizinschränkchen und sah die wenigen Medikamente durch, bis sie auf eine Schachtel mit rezeptfreien Schlaftabletten stieß, die vor einem halben Jahr abgelaufen waren.
»Das muss reichen«, murmelte sie und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel des Medizinschränkchens. Dann nahm sie die doppelte Dosis und beugte sich übers Waschbecken, um die Tabletten mit Leitungswasser
Weitere Kostenlose Bücher