T93 Band 1: Überlebe!
lautete der letzte Befehl, den Gärtner erhalten hatte.
Als sie in den Panzerwagen durch die Innenstadt fuhren, wurde Gärtner ein ums andere Mal vom Grauen gepackt und geschüttelt. Auf der Innenstadttangente sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Überall standen Kraftfahrzeuge quer, Leichen lagen verstreut und begannen zum Teil, sich zu erheben, grausam entstellte Dinger, die einmal Menschen gewesen waren, warfen sich vor die Fahrzeuge und wurden unter den Ketten und gepanzerten Reifen zerstückelt. Gärtner fühlte sich an Bilder aus dem Iran, Kuwait und dem Irak erinnert, es herrschte das heillose Chaos. Selbst die Vögel griffen Menschen an und hackten nach deren Augen. Diese Eindrücke hatten sich tief in Gärtners Bewusstsein eingebrannt, er würde diese Bilder niemals vergessen können.
Der Wecker beendete Gärtners Martyrium; um Punkt fünf Uhr dreißig holte das schrille Piepen ihn aus der Vergangenheit zurück und ließ ihn abrupt in die Gegenwart knallen. Der Generalmajor brauchte eine Sekunde, dann hatte er sich gefasst und schwang die Beine aus dem Bett. Ein weiterer Tag im Paradies brach an. Oder so.
Jahr Eins. 18. März, Vormittag
Generalmajor Gärtner, Professor Weyrich und Doktor Fischer waren in Gärtners Büro im obersten Geschoss des Labortraktes versammelt. Der Kommandant sah die beiden Wissenschaftler abwechselnd an, nahm einen Schluck Kaffee aus dem Becher, den er in der Rechten hielt. Er stellte den Becher auf seinen Schreibtisch und lehnte sich dagegen, dann meinte er:
»Also, meine Herren, was haben wir?«
Weyrich sah ihn freudig erregt an, er machte den Eindruck, als würde er gleich platzen.
»Ich würde sagen, Herr Generalmajor, wir haben einen Sechser im Lotto.«
Fischer nickte.
»Das heißt ... was?«
Der Kopf des Soldaten sackte ruckartig zwischen seine Schultern, die Augen öffneten sich weit, seine Handflächen zeigten nach oben.
»Also?«
»Die linksgängige Z-DNA der Testperson 93«, führte Weyrich erläuternd aus, »also die von Frau Radler, ist in mancherlei Hinsicht bemerkenswert. Besonders interessant in der Helix ist für uns dabei ein cruciformes Palindrom, das aus dem linearen Doppelstrang herausragt, wir bezeichnen es als T93. Es ...«
»Professor. BITTE. Ich bin kein Genetiker, und das einzige Palindrom, das ich kenne, ist Otto. Erklären Sie es für Laien. Das reicht mir völlig.«
Der Professor war angesichts dieses Rüffels etwas verwirrt, er sah zu Fischer hinüber, der lächelnd nickte.
»Äh ... ja. Sicher. Gern. Also, Frau Radler besitzt ein Genmerkmal, das ihren Körper dazu veranlasst, ein Pheromon zu produzieren, das sie für die Zeds quasi unsichtbar macht.«
»Das hatten Sie ja auch vermutet. Weiter.«
»Ja, aber uns ist es nun gelungen, quasi den Systembefehl zu finden, der dieses Pheromon im Körper entstehen lässt. Durch die Identifikation des Gens werden wir in absehbarer Zeit in der Lage sein, dieses Gen auf andere Menschen zu transferieren.«
»Sie meinen, ich kann meine Männer mit diesem T93 impfen? Sehe ich das richtig?«
»Nun ja, von Impfung möchte ich da nicht sprechen, denn gegen das Virus haben wir noch keinen adäquaten Wirkstoff entdeckt. Aber immerhin könnten die Soldaten, wenn ihr Körper ähnlich wie der von Testperson 93 ...«
»Wann?«
»Pardon?«
»Wann haben sie das Zeug so weit, dass wir es bei den Sturmtruppen einsetzen können?«
»Na ja, ich muss noch ausführliche Tests zum Transferverfahren durchführen und es erproben. Ich würde sagen in etwa vier bis sechs Wochen könnten wir soweit sein.«
Er blickte wieder zu Doktor Fischer hinüber, der nickte.
»Und bis dahin könnten wir das Pheromon zumindest in kleineren Dosen synthetisieren. Die Wirkung ist zeitlich und räumlich begrenzt, aber im Einsatz könnten die Soldaten sich damit zumindest akute Vorteile verschaffen. Ich könnte dieses Mittel zum Ende der Woche in limitierter Menge als Aerosol bereitstellen.«
Gärtner sah zu Fischer hinüber.
»Was sagen Sie dazu, Doktor?«
»Ich stimme dem Kollegen Weyrich vollumfänglich zu. Die primäre Produktion des Pheromons können wir in einem bakteriellen Katalysator bewerkstelligen, und der Gentransfer könnte tatsächlich in ein bis zwei Monaten serienreif sein. Wir führen heute Nachmittag mit der Testperson und einigen Freiwilligen Versuche mit dem synthetischen Pheromon durch. Sie können den Versuchen gern beiwohnen, Herr Generalmajor.«
»Ja, sagen Sie mir Bescheid, wenn es soweit ist. Ich
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