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Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Dageroth
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Metallbaums, der den Spiegel am oberen Ende einfasste, hockten zwei Ratten. Allerdings keine gewöhnlichen - nicht jene räudigen, braunen, fetten Dinger, die in Hinterhöfen die Mülltonnen zerwühlten und kleine Vögel aus dem Nest raubten. Diese beiden hier sahen überaus gepflegt aus, hatten weiß und grau geschecktes Fell und wache, blaue Augen.
    "Wir haben sie erschreckt, Scrib", sagte die eine zur anderen, während Silvana die beiden noch immer von der Tür aus anstarrte.
    "Eine solche Reaktion ist ganz normal", erwiderte die andere Ratte ruhig und beäugte Silvana mit schiefgelegtem Kopf. "Nicht jeder Mensch mag Ratten - genaugenommen sind es sogar ziemlich wenige. Das soll angeblich an unseren kahlen Schwänzen liegen." Er wackelte prüfend mit seiner Schwanzspitze als wäre sie ein zuckender Wurm.
    Silvana schüttelte den Kopf. "Ich habe nichts gegen Ratten - ich habe nur nicht damit gerechnet, euch direkt unter dem Tuch zu finden." Sie holte tief Luft. "Ich nehme an, ihr beiden seid Phil und Scrib? Yazeem hat euch bereits erwähnt."
    Scrib legte sich eine Pfote an die Brust. "Ah, Phil mein Lieber, unser Ruf eilt uns voraus." Er verneigte sich vor Silvana. "Du hast natürlich vollkommen recht. Mein Name ist Manum Scribere, kurz Scrib, und dies hier ist mein werter Freund und Kollege Bibliophilus, kurz Phil. Und du solltest Silvana sein, wenn wir die Gespräche richtig verfolgt haben."
    "Stimmt genau."
    "Und welcher Grund führt dich ausgerechnet heute Abend hierher zu uns?", wollte Phil wissen.
    Silvana legte das Kästchen auf den Tisch neben sich. "Eigentlich hatte ich ja gehofft, euch hier zu finden. Ich würde gerne einen Blick in das Erste Buch von Angwil werfen. Vielleicht finde ich einen Hinweis auf den Verbleib des Zweiten."
    "Ein sehr gewagtes Vorhaben", meinte Scrib und fuhr sich nachdenklich über die Barthaare. "Das Buch ist sehr gut gesichert und es hat schon lange niemand mehr danach verlangt."
    Phil schnaubte belustigt. "Es war ja auch in den letzten fünf Jahren niemand mehr hier."
    "Ich würde es mir trotzdem gerne ansehen. Und ich habe gehört, dass du weißt, wie man es aus seinem Versteck hervorholt."
    Phil zuckte die kleinen Rattenschultern. "Warum nicht, Scrib? Sie haben den Buchladen gekauft und das Portal aktiviert. Dann soll sie auch sehen dürfen, was wir hier verborgen halten. Robert hat es schließlich auch gesehen und darin gelesen."
    Scrib lief an dem Relief der Frau hinab und setzte sich auf den Boden vor dem Spiegel - im Glas konnte Silvana sehen, dass das graue Fleckenmuster auf seinem Rücken wie das eines Totenkopfs geformt war, der sie angrinste. "Nun gut, aber du musst genau unseren Anweisungen folgen."
    Silvana ging vor Scrib in die Hocke. "Was genau muss ich tun?"
    "Eigentlich nichts weiter, als einfach durch den Spiegel greifen."
    Silvana hob fragend die Brauen. "Hindurchgreifen?"
    "Tut auch nicht weh", sagte Phil und verließ ebenfalls seinen Platz im Geäst. Mit raschen Sprüngen setzte er über den Boden und erklomm Silvanas Arm, um sich auf ihrer Schulter niederzulassen. "Du musst nur ein wenig aufpassen. Nichts weiter."
    "Also gut." Silvana atmete tief durch. "Ich werde es versuchen."
    Scrib neigte den Kopf und trat beiseite. "Bitte sehr."
    Behutsam beugte sich Silvana vor und berührte mit den Fingerspitzen die Oberfläche des Spiegels.
    "Vorsichtig", flüsterte Phil auf ihrer Schulter. "Ganz behutsam."
    "Ich gebe mir Mühe."
    Zu ihrem eigenen Erstaunen tauchten ihre Finger durch das kühle Glas hindurch wie durch die Fluten eines stillen Sees. Dahinter war es eisig kalt und im ersten Moment war Silvana versucht ihre Hand zurückzuziehen, doch sie tastete sich aufmerksam weiter.
    "Du musst bestimmt bis zum Ellenbogen hineingreifen", meinte Scrib neben ihrem Knie und legte nachdenklich den kleinen Rattenkopf schief. "Es ist ziemlich weit drinnen."
    "Ich glaube, ich kann schon etwas fühlen", sagte Silvana ohne den Blick vom Spiegel abzuwenden. Sie konnte dort jedoch nur ihr eigenes, angespanntes Gesicht und die beiden gefleckten Ratten sehen. Trotzdem war sie sich sicher, mit den langsam taub werdenden Fingern etwas Hartes, Festes berührt zu haben. Sie schob den Arm noch ein wenig weiter durch das Glas, spürte die Gänsehaut bis zu ihrer Schulter kriechen, senkte die Finger noch eine Handbreit tiefer - und fühlte nun tatsächlich einen massiven, kantigen Gegenstand. "Ich hab es."
    "Zieh es ganz vorsichtig heraus", riet Phil und sprang bis vor die

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