Tacheles
Regierung sonderlich hoch im Kurs.“
„Pass auf, was d’ sagst!“, fauchte Holzer.
„Ich denke, das reicht jetzt“, mischte Cerny sich wieder ins Gespräch, „wir werden diese Unterhaltung im Sicherheitsbüro fortführen. Herr Holzer, kommen Sie bitte mit.“
„Ja hallo, hallo, wos is denn“, auf Holzers Gesicht zeigte sich ehrliche Verwunderung, „i hob jo gar nix g’macht! Was woll’n S’ von mir! Naa, i kumm sicher ned mit!“
„Gut, dann sind Sie jetzt formell verhaftet. Arme nach vor!“ Cerny fingerte die Handschellen hervor, die an seinem Gürtel angebracht waren, und schickte sich an, diese Holzer anzulegen.
„Pardon, Herr Inspektor, vielleicht woa i do jetzt grad a wengerl … i hob vielleicht überreagiert“, maulte Holzer kleinlaut. Sein ganzes Gehabe glich nun nicht mehr dem geübten Wirtshausschläger, sondern eher einem eingeschüchterten Knaben, der beim Obstdiebstahl ertappt worden war. Es war offensichtlich, dass sich Holzer jetzt erst der Tragweite seines Verhaltens bewusst wurde. „Mir kumman ganz sicher ohne die Achter aus. I sog Ihnen ollas, wos Sie wiss’n woll’n. I steh ganz zu Ihnerer Verfügung.“ Mit unsicherer Hand wies er auf eine Sitzecke. „Woll’n S’ vielleicht Platz nehmen, die Herrschaften?“
„Das ist aber nett, dass sich ein Jud und ein Behm bei Ihnen sogar niedersetzen dürfen“, ätzte Bronstein.
„Na, Sie dürfen des ned persönlich nehmen. I woa in einem Zustand berechtigter emotioneller Erregung.“
Bronstein und Cerny wechselten einen kurzen Blick. Diese Formulierung kam ihnen nur allzu bekannt vor. Sie wurde immer wieder gerne von den Anwälten rechtsextremer Gewalttäter verwendet, um die Taten ihrer Mandanten damit zu exkulpieren. Dass sie auch Holzer bekannt war, ließ Rückschlüsse auf seinen Lebenswandel oder zumindest auf seinen Umgang zu.
„Na, dann fangen wir einfach einmal mit dem Lebenslauf an, nicht wahr, Herr Holzer.“
„Geboren bin i am 11. Dezember 1885 in Mutters im Heiligen Land Tirol. Mei Vota hot dort a klan’s G’schäft g’habt, Kurzwaren und so. Des is oba ned guat gangen, weil er a Zuag’reister war, aus’m Steirischen sein mir kemmen eigentlich. Und so is mei Vota 1888 nach Wien zog’n, wo er a Joar später – ja, 1889 woar des, weil do is mei Muata g’storb’n – in die Firma vom alten Demand eintreten is. Z’erscht hot er do Etiketten g’macht, irgendwann hot eam der alte Demand dann dieBuchhaltung machen lassen, weil des weniger anstrengend für mein olten Herrn woa. Er is aber dann trotzdem bald g’storb’n. Im Jänner 1901. Des waaß i no genau, weil’s so kalt woar an dem Tag. Na, mit aner Schul’ woa’s do vuarbei für mi, und weil i bis dahin in der Bürgerschul’ woar, hot mi der alte Demand g’fragt, ob i den Posten von mein’ Vatern übernehmen mecht. Na, und so hob i im Mai 1901 beim Demand ang’fangen. Und i hob immer do g’arbeit’. Außer im Kriag natürlich, do woa i bei da Infantrie, vier Joar lang. EK I, EK II, Verwundetenabzeichen. Iso…“
„Isonzo. Das wissen wir schon. Und weiter? Sind sie verheiratet, haben Sie Kinder, wie kam es, dass Sie hier Prokurist wurden?“
„Verheiratet? Ja, des woar i amol. Oba des is laung her. De Oide hot si was Jünger’s ang’lacht, do hob i s’ außeg’schmiss’n, die Drecksau. Samt ihrem Bankert, weil der woar wahrscheinlich eh ned von mir.“
„Das heißt, Sie haben einen Sohn oder eine Tochter?“
„Na, nimma, weil die Fini is auf die schiefe Bahn kemmen und vor zwa Joar g’storben. Schwindsucht, hat’s g’heißen, aber wahrscheinlich woa’s einfach ihr Lebenswandel. Neunzehn Joar is’ nur alt word’n, weil s’ so a Saujud verführt und auf’n Strich g’schickt hat, der Lump, der ausg’schamte.“
Bronstein notierte sich geistig den Namen Josefine Holzer. Wenn der Fall erst zwei Jahre zurücklag, würde er im Archiv fraglos fündig werden. Es war sicher interessant, der Geschichte nachzugehen.
„Na wurscht, mittlerweile is mei Oide a scho hin. Der Alkohol. Und die Fini natürlich. Des hot ihr den Rest geb’n. Und grad, wie des olles passiert is, hat mi der Demand g’fragt, ob i eam ned den Prokuristen mach. Schon a Witz, was? Und jetzt kenntaten die zwei feinen Herrn Demand ohne mi die Firma gar nimmer leiten, das kann i Ihnen sagen. Des woa aSchweinerei, die Buchhaltung da. Aber i hob do ganz andere Saiten auf’zogen, mein lieber Schwan. Und heut steh’n mir bestens da. Vor allem, weil mir massiv
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