Tacheles
Leut entlassen haben, die was der Betrieb einfach nimma dertragen hat.“
„Den Herrn Podlaha auch?“, fragte Cerny.
„Den ganz besonders, denn kommunistischen Revoluzzer. Der deaf jetzt den Fensterkitt fressen!“
„Sie würden also sagen, der Betrieb floriert?“
„Na jo, gaunz so is a wieder ned. Die Firma rennt ja immer no unterm Namen Demand, ned wahr, und des is vielerorts ka Renommee mehr, waun’s versteh’n, was i mein’. Sicher, in der Böhmei drüben steh’n mir immer no guat da, und in Galizien sowieso. Aber in Ungarn und in Polen schau’n s’ uns schon a bissl schief an. D’rum hob i a g’sogt, es warat besser, waun mia an neichn Namen hätten. Aber davon hat der Alte nix wissen woll’n.“
Bronstein machte sich innerlich eine Notiz. Möglicherweise war es um genau diese Frage zu einem Konflikt zwischen Vater und Sohn gekommen, denn beim Profit hörte sich in solchen Kreisen ziemlich sicher jede Familiensolidarität auf. Holzer wiederum hatte er eigentlich schon als Verdächtigen gestrichen. Der war, so meinte Bronstein, ein Maulheld, einer, der mit der Meute mitheulte, aber sicher nicht auf eigene Faust eine solche Tat wagte. Der wartete geduldig auf seine Stunde, und bis dahin würde er, Isonzo hin oder her, seinen Kopf nicht aus der Deckung nehmen.
„Hatte der alte Herr in seinen Kreisen oder hier in der Firma irgendwelche Feinde?“, fragte Bronstein schließlich.
„Da kennen S’ Gift drauf nehmen“, entgegnete Holzer prompt, „den hat ja keiner leiden können, den alten Giftpilz.“
„Und das heißt?“
„Na ja, anerseits hat ein erfolgreicher Unternehmer, und als solcher hat er ja immer noch ’golten, in der Branche seineFeind, und andererseits haben die Arbeiter natürlich aa ka Freud g’habt, dass er immer mehr außeg’haut hat.“
„Wie den Podlaha?“ Cerny schien offenbar von dem ehemaligen Betriebsrat fasziniert.
„Hör’n S’ ma doch auf mit dem Podlaha. Des woar a richtige klane Kommunistensau. Im Neunzehnerjahr war er dick da, hat sich aufg’führt, als hätt’ eam da Betrieb g’hört. Und no voriges Joar hat er was daherphantasiert von Widerstand und Rechte und so an Schmarren. Der hat ja wirklich a Glück, dass er ned in Wöllersdorf sitzt, der Umstürzler. Aber ehrlich, dem trau i so was ned zu, dazu is er vü zu feig, der Hundling.“
„Und andere Arbeiter?“
„Da waren schon viele Heißsporne dabei, des können S’ ma glauben. Aber Überblick hab’ ich da kan. Da müssten S’ Ihnen schon an den Podlaha wenden. Steigen S’ ihm nur ordentlich zuwe, dem Haderlumpen. Was Besser’s hat der eh ned verdient.“
„Nur aus reiner Routine“, ließ sich jetzt wieder Bronstein vernehmen, „wo waren Sie in der Nacht von vorgestern auf gestern?“
Holzer wurde aufmerksam: „I brauch a Alibi?“
„Reine Routine, wie gesagt“, wiegelte Bronstein ab.
„No mei, z’erscht war i beim Wirten. G’soffen und Karten g’spielt bis circa Mitternacht oder ans hob i. Dann bin i in die Annagass’n ins Puff g’fahren. Dort hob i irgend a Steirerin pudert. Aus Mürzzuschlag war de, glaub i, Elfi hat die g’heißen. A bissl spröd und direkt a wengerl hantig, aber echt guat, kann i Ihnen sagen. Na, und dann, i waaß ned, drei oder vier wird’s g’wesen sein, dann bin i hamg’fahren. Mit’m Taxi, weil Tramway geht ja da no kane.“
Bronstein war unwillkürlich zusammengezuckt. Die Selbstverständlichkeit, mit der Holzer über seinen Bordellbesuch sprach, erinnerte ihn schmerzlich an seine diesbezüglichenQualen. Und ihn schauderte bei dem Gedanken, keine vierundzwanzig Stunden nach diesem vulgären Menschen beinahe ebenfalls in der Annagasse dem flüchtigen Vergnügen nachgegangen zu sein. Welch ein Glück, dass er sich anders besonnen hatte, er wäre sonst vielleicht auch in den Armen der hantigen, spröden Elfi aus Mürzzuschlag gelandet. Und daran wollte er nicht einmal ansatzweise denken.
„Das heißt, Sie haben für die fragliche Zeit kein Alibi“, ließ sich seine Stimme trocken vernehmen. Holzer fuhr auf.
„Wenn S’ meinen, dass i nach ’m Pempern no Lust auf an Mord g’habt hätt’, bitte schön, dann hab ich kein Alibi.“
„Gut, Herr Holzer“, gab sich Cerny an dieser Stelle versöhnlich, „das ist im Augenblick alles. Ich hoffe, Sie verstehen, dass wir jeder Spur nachgehen, so unwahrscheinlich sie auch immer sein mag. Sollten wir noch etwas von Ihnen benötigen, werden wir uns erlauben, uns mit Ihnen ins Einvernehmen zu
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