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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Ton, der beinahe schon in ein Murmeln überging.
    „Du wirst lachen, in der Tat. Zuerst habe ich mit der Familie noch soupiert, danach ging ich zu einem internationalen Vergleichskampf im Fechten. Du weißt ja, mein Schwager ist imSokol aktiv, und da haben sie am Wochenende die Monarchie wieder auferstehen lassen.“
    Bronsteins Kopf fuhr abrupt nach oben: „Die Monarchie …, ich fürchte, ich verstehe nicht ganz …“ Cernys Lächeln ließ ihn verstummen.
    „Es waren Teams aus Jugoslawien, Ungarn, Österreich und der Tschechoslowakei dabei, ein Vierländerturnier der Nachfolgestaaten sozusagen. Natürlich haben die Ungarn wieder alle anderen alt aussehen lassen, aber das hat ja schon Tradition. Du hättest Boronkai, Boskowitz und Kaposi kämpfen sehen müssen! Mein lieber Herr Gesangsverein, es würde mich nicht wundern, wenn Gold, Silber und Bronze in Berlin schon jetzt fix vergeben wären. Das war wirklich Fechtkunst auf allerhöchstem Niveau ...“
    „Es wäre mir recht, lieber Cerny, wenn Sie Ihre Begeisterung in Sachen Sport etwas zügeln oder vielleicht sogar in die Richtung unseres Falls lenken könnten.“
    Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, tat es ihm auch schon wieder leid. Aber was musste Cerny auch so rundherum glücklich und zufrieden sein? Der hatte sicherlich keine Probleme mit seinem Hormonhaushalt. Der hatte wahrscheinlich überhaupt keine Probleme! Mann, da konnte der gemütlich im Kreise der Familie sein Essen zu sich nehmen und sich dabei angenehm unterhalten, während er, Bronstein, immer nur die verschimmelte, alte Tapete in seinem Speisezimmer anstarren durfte. Und nicht genug damit, nachdem er ein gutes Mahl zu sich genommen und ein wenig mit dem Nachwuchs herumgetollt hatte, ging ein Cerny eben zu einem gesellschaftlichen Ereignis, um dann spät nachts in die Arme seiner ebenso wunderschönen wie treu sorgenden Ehegattin zurückzukehren. Ein Cerny musste sicher nicht darüber nachdenken, ob er in die Annagasse ging oder nicht. Ein Cerny war eben ein Cerny.
    „Entschuldigung, ich wusste nicht, dass Sie der Fall so inkommodiert. Haben wir schon etwas Neues?“ Cerny blieb betont sachlich, was Bronstein noch mehr ärgerte, da er nun wieder als der alte Grantler dastand, während Cerny auch in dieser Situation die Contenance bewahrt hatte.
    „Ja“, entgegnete Bronstein daher knapp, „das Dossier über den alten Demand ist eingetroffen. Und nach dem Mittagessen sollten wir auch den Bericht von der Gerichtsmedizin haben, obwohl ich nicht glaube, dass wir durch den sonderlich Neues erfahren werden.“
    „Wir sollten dem Prokuristen und dem ehemaligen Betriebsrat einen Besuch abstatten. Schaden kann es nicht, auch die beiden zu befragen“, schlug Cerny vor.
    „Ja, das wäre die richtige Beschäftigung vor der Mittagspause. Zuvor brauche ich aber noch einen Kaffee.“ Noch ehe Bronstein dazukam, nach dem Amtsdiener zu rufen, war Cerny schon aufgesprungen und im Nebenzimmer verschwunden. Zuvorkommend ist er auch, der Cerny, wenn der einmal Kopfweh hat, dann drückt ihn der Heiligenschein, dachte Bronstein nur und kämpfte gegen seine wachsende Verbitterung an.
    Zwei „Donau“ später fühlte er sich endlich wieder ein wenig besser. „Wo werden wir ihn denn finden, den Herrn Prokuristen?“, fragte er. „Der ist sicher in der Firma“, antwortete Cerny, „gerade jetzt wird er sich unentbehrlich machen wollen.“
    „Da könntest du Recht haben.“ Bronstein wechselte wieder zum Du, um auf diese Art anzudeuten, dass seine schlechte Laune gewichen war. „Na, dann schau’ ma amal. Wissen wir, wo die Firma loziert ist?“
    „Klar. Wipplingerstraße 24.“
    „Was denn, gleich ums Eck? Na umso besser!“
    Bronstein erhob sich umständlich und blickte aus dem Fenster, um das Wetter zu prüfen. Am Morgen war es noch empfindlich kühl gewesen, sodass er ernsthaft in Erwägung gezogenhatte, seinen Raglan auszumotten, doch mittlerweile strahlte wieder die Sonne, der Regenschirm und sein alter Velourshut konnten damit getrost an ihrem Platz bleiben.
    Da sich der Unternehmenssitz kaum 500 Meter vom Sicherheitsbüro entfernt befand, beschlossen die beiden Kriminalisten, die Strecke zu Fuß zurückzulegen. Wenige Minuten nach zehn Uhr morgens trafen sie am Eingang auf den Portier des Unternehmens. „Wen darf ich melden?“, fragte dieser steif.
    „Die Höh“, gab Bronstein launig zurück und zeigte dabei seine Marke.
    „Im ersten Stock ist die Direktion. Dort wird man Ihnen sicher

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