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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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weiterhelfen“, stammelte der Portier nur und verbeugte sich hingebungsvoll.
    Am angegebenen Ort saß eine gelangweilt wirkende junge Dame, die von den beiden Herren anfänglich kaum Notiz nahm. „Der Herr Ingenieur ist nicht zu sprechen“, sagte sie, ohne von ihrer Zeitschrift aufzublicken.
    „Für uns schon“, sagte Bronstein bestimmt. Jetzt erst blickte die Sekretärin auf und wurde Cernys ansichtig, dem sie sofort ihr breitestes Lächeln schenkte, was Bronstein mit erneut wachsendem Unmut registrierte. Die Sekretärin nahm die Dienstmarke kaum zur Kenntnis und sah weiterhin voller Bewunderung Cerny an, während sie sich langsam von ihrem Sitz erhob. „Ich melde Sie gleich an“, sagte sie, während sie, rückwärts gehend, ihre Augen nicht von Cerny abwandte. Ohne darauf zu achten, wo sich die Tür genau befand, formte ihre rechte Hand eine Faust und schickte sich an, gegen das Holz der Tür zu klopfen. Mehrmals fuhr die Faust ins Leere, ehe sie endlich auf Widerstand stieß. Auf das gestrenge „Herein“, welches so laut aus dem Nebenzimmer kam, dass es sogar Bronstein und Cerny hören konnten, tastete die Sekretärin nach der Türklinke, um sodann in dem anderen Raum zu verschwinden. Dabei blieb ihr Blick bis zum allerletzten Moment auf Cerny gerichtet, dem dieSzene allmählich ernsthaft unheimlich wurde, sodass er sich zu Bronstein drehte und diesen vorerst nicht aus den Augen ließ.
    Einige Sekunden später öffnete sich die Tür wieder, und die Sekretärin, sofort wieder Blickkontakt suchend, hauchte: „Herr Holzer lässt bitten.“
    Ohne Frage war Franz Holzer eine ungewöhnliche Erscheinung in Wien. Er trug einen alpenländischen Oberlippenbart, eine hubertusgrüne Waidmannsjoppe mit Hirschhornknöpfen, eine grauschwarze Lederhose und weißgraue Wollstrümpfe, die bis zu den Knien gingen. Seine Füße wurden von Halbschuhen umschlossen, die den Wanderschuhen nachempfunden waren, welche der Volksmund Goiserer nannte. Alles in allem wirkte Holzer, der etwa in Bronsteins Alter sein mochte, wie ein Vertreter des Bauernbundes und nicht wie der Prokurist eines in mehreren europäischen Staaten aktiven Unternehmens.
    Und wie um diesen Eindruck zu unterstreichen, reichte Holzer den beiden Kriminalisten mit einem lauten „Grüß Gott, die Herren“ die Hand.
    „Guten Tag“, entgegnete Bronstein, „wie Sie sicherlich schon wissen, sind wir von der Polizei. Wir untersuchen den Mord an Ihrem Firmenchef. Major Cerny, mein Mitarbeiter, und ich bin Oberst Bronstein.“
    Holzers Lächeln gefror. „A Behm und a Jud. Na des hob i braucht.“ Auch aus Cernys Gesicht verflog jede Freundlichkeit: „Überlegen Sie sich gut, was Sie hier äußern. Die Beleidigung von Amtspersonen ist kein Bagatelldelikt. Und außerdem“, fügte Cerny mit süffisantem Lächeln hinzu, „war Ihr Chef ja auch ein Jud, wie Sie sich eben so formschön auszudrücken beliebten.“
    „Na glauben S’, i hob den megn, den oidn Pülcha? A Bluatsauger woar des. A richtiger Shylock. Raffendes Kapital, sage man nur. Waun i ned zwungen g’wesen warat, für denHundling zu oarbeiten, i hätt eam mei Meinung scho geigt, do kennen S’ wett’n drauf.“
    „Kann ich daraus schließen, dass Ihr Verhältnis zum dahingegangenen Herrn Demand kein sehr freundschaftliches war?“
    „Geh hearn S’ ma doch auf mit der Sau. Zeit is’ worden, dass der endlich krepiert is. Wos glauben S’, was der mir zahlt hot – noch all die Joar, die i bei eam g’schuftet hob? Na, was glauben S’? Ned amoi a Viertel von dem, was Sie sich jetzt denk’n! Zur Firmung hob i von mei’m Göd mehr kriagt ois von dem Falotten in an ganzen Joar. I bin froh, dass er hin is. Hoffentlich hot er g’hörig leid’n miass’n, Drecksjud, elendiger!“
    „Ihre Aussagen sind nicht sehr zweckdienlich“, sagte Bronstein mit dem sichtlichen Bemühen, sich zu beherrschen. „Wenn wir bis jetzt noch niemanden hatten, welcher der Tat verdächtig wäre, jetzt haben wir einen, würde ich meinen.“
    „Bist deppat, Itzig?“, entfuhr es Holzer, der ganz nahe an Bronstein herankam und Kampfposition bezog: „EK I, EK II, Verwundetenabzeichen. I woar am Isonzo, neun Schlachten hob i mitg’mocht! Wo warst du damals, du Hinterlandstachinierer?“
    „Tarnow Gorlice“, sagte Bronstein und betrachtete gelangweilt seine Fingernägel.
    „Du, leg’ di ned an mit mir, i sog da’s! I bin Zugsführer bei die Sturmscharen.“
    „Na und. Die stehen ja wohl zu Recht nicht einmal bei der

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