Tacheles
endlich wieder einmal ein Sonntagsbratl leisten. Und vielleicht gehen sich noch neue Schuh oder ein Kleid oder so etwas aus.“
„Cerny, Cerny, Cerny! Was wird nur werden aus dir?“ Bronstein schüttelte den Kopf und konnte es nicht fassen, dass sein Untergebener so gefühlsduselig war. Noch weniger aber verstand er, dass er sich nun selbst moralisch unter Druck gesetzt sah, wollte er vor Cerny nicht als der verbitterte Herr Hartherz dastehen. Bronstein wusste selbst nicht, warum er es sagte, doch er hörte die Worte deutlich, die aus seinem Munde strömten: „Jetzt muss ich dich auf das Krautfleisch einladen, sonst steh ich ja da wie ein sieriger Hund.“
„Mitnichten, Oberst, mitnichten …“
„Doch, doch, Cerny. So ist des und ned anders. Die Rechnung in der Krone geht auf mich. Und wennst ein schlechtesG’wissen hast, dann reich sie bei der Rechenstelle ein, vielleicht geht des als Spesen durch.“
Endlich konnten beide an diesem Tag herzhaft lachen.
Es war schon fast 14 Uhr, als sie den Gasthof „Zur Krone“ betraten, und die Küche schickte sich eben an, ihre Pforten zu schließen. Kaum aber hatte der Wirt Cerny erblickt, rief er sofort in die Küche: „Jano, počkej, Andrej je tady!“ Und da flog auch schon die Küchentür auf, und die Wirtin drängte sich dem Major mit strahlender Miene entgegen. „Ahoj, Andreasi, no, to mě teší“, sagte sie lachend und erkundigte sich sofort nach dem Befinden des Polizisten. „Jak se máš? Chtel bys něco jíst? Mám svičkovou a videnský řizek je take tady.“
Cerny deutete mit seinen Augen kurz auf Bronstein und antwortete dann auf Deutsch: „Wiener Schnitzel klingt sehr gut. Auch einem Svičková sollte man sich nie verschließen. Aber eigentlich, liebe Jana, sind wir gekommen, weil der Herr Oberst Bronstein gerne deine weltberühmten Rindsrouladen kosten möchte.“
„Moment, Moment“, mengte sich nun Bronstein in die Unterhaltung, „was ist das, ein Svičková?“
„Ein Rahmrindsbraten, der Herr“, entgegnete Jana nun gleichfalls auf Deutsch, „mit original böhmischen Knödeln. Das ist eigentlich ein Hochzeitsessen bei uns zu Hause. Wir servieren es mit einem Tupfer Preiselbeermarmelade und einer Orangenscheibe. Sie werden sicher nicht enttäuscht sein, Herr Oberst.“
„Na wenn ich schon in Böhmen bin“, lächelte Bronstein, „dann probiere ich doch glatt dieses Svičková. Das heißt, wenn Ihnen das keine Mühe bereitet.“
„Sicher nicht. A ty, Andreasi?“
„Take“, replizierte Cerny knapp. Dann wandte er sich in Richtung Schank: „A velké Starobrno, prosím.“ Bronstein schloss aus der fragenden Miene Cernys, dass dieser von ihm wissen wollte, was er zu trinken wünsche, und so nickte er.Cerny hob zwei Finger in die Höhe, und der Wirt schickte sich an, zwei Krügel Altbrünner zu zapfen.
Die beiden Kriminalisten begaben sich sodann in den hinteren Teil des Lokals und setzten sich an den Ecktisch. Bronstein vermochte seinen Appetit nicht länger zu zügeln und griff nach einem Bierbrezel, das er in Windeseile verzehrt hatte. „Was hältst du bis jetzt von diesem Fall?“, fragte er dann.
Cerny zögerte einen Augenblick. Bronstein entging nicht, dass Cerny um Worte rang. Es war ihm sichtlich nicht darum zu tun, bereits gefundene Worte abzuwägen, er war noch mitten in der Suche. Die Antwort fiel denn auch entsprechend aus: „Ich bin ratloser denn je.“
„Na“, sagte Bronstein jovial, „dann sind wir ja schon zwei.“
„Aus der Familie traue ich niemandem zu, die Tat begangen oder auch nur initiiert zu haben. Die haben alle kein Motiv. Der eine Sohn hat den Laden ohnehin schon mitgeschmissen, den anderen wird der Laden auch jetzt nicht interessieren. Und auch deren Mutter hatte nichts zu gewinnen, höchstens das junge Ding käme in Frage. Es könnte ihr einfach zu lange gedauert haben, ans Erbe zu gelangen. Und wenn es stimmt, dass sie einen Geliebten …“
„Die junge Frau Demand scheidet als Verdächtige für mich definitiv aus“, unterbrach Bronstein seinen Kollegen erstaunlich heftig. „Erstens hat die sicher keinen Geliebten, und zweitens ist es in ihren Kreisen kein Renommee, in einem solchen Alter Witwe zu sein. Da gerät man schnell ins gesellschaftliche Abseits.“
„Außer man heiratet noch einmal.“
Bronstein spürte, wie seine Gefühle für die Demand in ihm wieder aufwallten. Alles in ihm sperrte sich gegen die Vorstellung, sie könnte auch nur den geringsten Makel aufweisen. Um aber
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