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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Ohr g’haut. Sie hätten einmal sehen müssen, was für a miese Qualität der manchmal geliefert hat. Wenn sie’s fressen, sind s’ selber schuld, hat er dann immer nur gemeint. Er war halt ein richtiger Ausbeuter, ein Kapitalist reinsten Wassers.“
    „Ein Plutokrat?“ fragte Bronstein mit entsprechendem Hintergedanken. Podlaha sah ihn nur mitleidig an.
    „Ich kenne keinen Unterschied zwischen Kapitalisten. Raffendes und schaffendes Kapital ist eine Erfindung der Bourgeoisie,um den Arbeitern den Kopf zu verdrehen. Und Antisemitismus, mein lieber Herr Oberst Bronstein, ist nur der Sozialismus des dummen Kerls. Wissen S’, wer das gesagt hat?“
    Bronstein zögerte ein Weilchen, dann stotterte er, „ich wüsst jetzt grad nicht, wer …“
    „Bebel“, mischte sich Cerny ein, der der Unterhaltung schweigend gefolgt war. Er erntete dafür eine anerkennende Augenbraue von Podlaha.
    „Das Witzige“, fuhr Podlaha nun fort, „an der Sache war, dass es natürlich, vor allem in den letzten Jahren, sehr viele gab, die in Demand einen richtig schmierigen Itzig sahen, einen jüdischen Blutsauger. Wir hatten ab etwa 1932 auch eine Betriebszellenorganisation der Nazis, mit denen ich nicht nur einmal Scherereien hatte, und die haben den Demand zu einem richtigen Shylock gemacht. Es hat Schmierereien an den Fabrikswänden gegeben, an den Klotüren und so weiter. Das hat Demand sehr getroffen, denn er hat sich immer als Vertreter der deutschen Kultur gefühlt, müssen Sie sich vorstellen. Was hab denn ich gemein mit diesen galizischen Peikelesjuden, hat er dann immer g’sagt, ich bin Protestant, immer schon. Der Arme hat bis zuletzt nicht verstanden, dass die Nazis keinen Unterschied machen zwischen einem armen Flickschuster aus dem Schtetl und einem Fabrikanten aus der Cottage. Was haben S’ denn, Herr Oberst, ist Ihnen was? Sie schau’n so blass aus auf einmal.“
    In der Tat war Bronstein übel geworden. Mit einem Mal musste er wieder an die Auseinandersetzung mit Holzer denken, und jetzt erst wurde ihm bewusst, dass, was für Demand galt, auch für ihn gelten würde. Seine Verdienste im Weltkrieg, seine Kenntnis von Goethe, Schiller und Eichendorff, seine Vorliebe für Wagner und Brahms, all das würde den Nazis rechtschaffen egal sein. Er war in ihren Augen auch nur ein Itzig, ein Saujud, ein elendiger. Sein Amt würde ihn nicht schützen, im Gegenteil, für die Nazis entehrte er dieses Amt, setzte den Staat herab.Österreich war in den Augen der Nazis gerade deshalb ein Dreckstaat, weil er Kreaturen wie ihn beschäftigte. Es hatte sich nichts geändert seit der Wiener Geserah, ungeachtet der 513 Jahre, die seitdem vergangen waren. Im Gegenteil, es war noch schlimmer geworden, allen emphatischen Appellen des Kaisers Franz Joseph zum Trotz. 1421 hatte man den Juden wenigstens noch die Wahl gelassen, zu konvertieren oder unterzugehen. Heute würde man in jedem Fall untergehen. Demand war wie er Protestant gewesen, und in den Augen der Nazis doch nur ein Drecksjud, der weggehörte. Ja, Bronstein war wirklich übel. Sehr übel sogar. „Wenn S’ vielleicht ein Glasl Wasser hätten“, krächzte er.
    Cerny warf einen besorgten Blick auf seinen Vorgesetzten und führte dann das Gespräch an dessen Stelle fort. „Gibt es diese Nazis noch in der Firma, und wenn ja, wer spielt dort die erste Geige?“
    „Na die meisten sind schon voriges Jahr entlassen worden, wie die Partei verboten worden ist. Ein paar haben sich gehalten, der Kotzler zum Beispiel, der arbeitet immer noch dort, und der Murer. Und es hält sich hartnäckig die Fama, dass der Holzer eigentlich auch dazug’hört. Wundern tät’s mich ned, ehrlich g’sagt, denn der hat aus seinem Hass auf alles, was nicht rein arisch ist, nie ein Hehl g’macht. Für den hat es außer Deutschen nur Behm, Polacken, Krowoten und eben Saujuden gegeben, wenn er das mit den Juden vor dem Demand natürlich nie auch nur angedeutet hätt, der Feigling.“
    „Glauben Sie, dass der Holzer einen Grund gehabt hätte, dem Demand in die andere Welt zu verhelfen?“ Cernys blumige Ausdrucksweise brachte Bronstein allmählich zurück in die Wirklichkeit.
    „Wollen S’ wirklich meine Meinung hören?“, beantwortete Podlaha Cernys Frage mit einer Gegenfrage.
    „Ja, unbedingt.“
    „Gründe hätte er viele gehabt. Aber er wäre ziemlich dumm, wenn er zu diesem Zeitpunkt eine solche Tat gesetzt oder auch nur in die Wege geleitet hätte.“
    „Warum glauben Sie das?“ Endlich war

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