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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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vor Cerny nicht als der verliebte alte Narr dazustehen, der er war, versuchte er, schnell von der Demand abzulenken:„Wer sagt dir denn, dass der Juniorchef nicht mit dem Alten in einen handfesten Konflikt verwickelt war?“
    „Worin könnte der denn bestanden haben?“
    „Nun ja, die Zukunft der Firma zum Beispiel. Vielleicht wollte der eine expandieren, in den Osten verlagern oder neue Märkte erschließen. Neue Vermarktungsstrategien entwickeln oder etwas dergleichen. Und der Alte hat sich dagegen gesperrt, weil er sein Unternehmen auf die traditionelle Weise führen wollte. Der Junior hat’s mit der Angst zu tun bekommen, dass das Unternehmen den Bach runtergeht, wenn man am Kurs des Alten festhält, dass es dann gar nichts mehr zu erben gibt, wenn man ihn weiter gewähren lässt. Immerhin wurden, wie wir gehört haben, aus dreitausend Arbeitern dreihundert. Das kann einem doch immerhin zu denken geben. Wir sollten uns auch ansehen, wie es überhaupt um die Aktiva der Firma bestellt ist. Wer weiß, vielleicht war Demand pleite, und der Junior wollte retten, was zu retten ist.“
    „Ein Fall von Wirtschaftskriminalität? Na, ich weiß nicht. Da lässt man den Betreffenden doch nicht auf diese Weise zu Tode kommen, oder?“
    „Na, genau das ist ja das Geniale daran“, ereiferte sich Bronstein, „ein gefinkeltes Ablenkungsmanöver, das glauben machen soll, die Täter hätten aus völlig anderen Motiven gehandelt. Damit wären wir auf eine falsche Fährte gelockt. Sag, was du willst, aber der Junior steht bei mir auf der Liste. Die Stiefmutter nicht.“
    Bronstein hatte so bestimmt gewirkt, dass Cerny keine Widerrede wagte. Zudem wurden nun die Svičková aufgetischt, und Bronstein widmete sich sofort und voller Inbrunst dem Verzehr der dargereichten Köstlichkeiten. Cerny wartete daher respektvoll, bis Bronsteins Verzückung nicht mehr allzu offensichtlich war, ehe er den Gesprächsfaden wieder aufgriff.
    „Und was, wenn es sich doch um ein politisches Verbrechen handelt?“
    „Dann wäre die Sache um vieles leichter“, schloss Bronstein, „aber jetzt lass uns erst einmal diesen herrlichen Braten genießen. Wir sind ja nicht nur Polizisten, wir sind auch Menschen ... Herr Wirt, noch ein Altbrünner, bitte.“
    Auf Cernys Empfehlung hatte Bronstein hernach noch zwei Buchteln in Vanillesauce genommen, ehe er, reichlich satt, einen Verlängerten orderte. Dieser stand nun dampfend vor ihm, während Bronstein sich genüsslich eine weitere „Donau“ ansteckte. Er machte zwei tiefe Lungenzüge, ehe er Cerny ansah: „Also, zurück zum Fall. Es gibt also drei mögliche Gruppen von Verdächtigen. Den Juniorchef, die Nazis und die Kommunisten. Im Haus selbst kommt sonst, so glaube ich, niemand in Betracht, also sollten wir uns zunächst auf die Firma konzentrieren.“ Bronstein hielt einen Moment inne, lehnte sich zurück und machte ein versonnenes Gesicht: „Ich habe“, sagte er dann, „eine Vision. Ich sehe deine Zukunft. Ich sehe, wie du dich morgen in der Buchhaltung von Demand & Sohn eingräbst.“ Dann richtete er sich wieder auf und grinste breit. Cernys Missmut entging ihm freilich nicht. „Keine Sorge, ich quäle mich derweilen durch den Obduktionsbericht, der ist sicher auch nicht viel lustiger als die Zahlenspielerei.“
    „Aber, lieber Oberst, ich verstehe von all dem rein gar nichts. Die können mir eine Bilanz vorlegen, und es wär für mich exakt dasselbe, wenn sie dazu sagten, sie sind das reichste Unternehmen der Welt, oder wenn sie sagten, sie sind pleite und konkursreif. Und außerdem war das doch deine Idee mit der Wirtschaftssache.“
    „Na glaubst, ich versteh was davon?“
    „Vielleicht sollten wir jemand von der Finanz hinschicken. Amtshilfe und so. Eine Bilanz verrät nur dann etwas, wennman sie auch lesen kann und wenn man auch weiß, wonach man suchen muss.“
    „Eigentlich hast Recht, Cerny. Sollen das die Herren von der Finanz machen.“ Bronstein warf einen Blick auf seine Uhr. „Was denn, schon fast vier? Na da schau her. Da werden wir heute aber niemanden mehr erreichen bei die Finanzer. Na auch egal, morgen ist auch noch ein Tag. Was is’, Cerny, trink ma noch was?“
    „Ich weiß nicht, ich wollte eigentlich noch ins Büro.“
    „Jetzt sei ned immer so a Streber, Cerny. Die Akten rennen dir nicht davon. Aber so ein Altbrünner? Das verdunstet sonst vielleicht.“
    „Vielen Dank, aber lieber ein anderes Mal. Ich fahr jetzt noch schnell im Büro vorbei, und dann geh

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