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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ihn sprachlos.
    „Und das ist … ich meine … das ist auch aktuell so?“
    „Also wie ich vor ein paar Wochen zufällig g’hört hab, wie die alte Demand am Gang mit der Hawranek tratscht hat und der tränenreich geklagt, dass jetzt sogar der eigene Sohn mit dieser Erynnie ins Bett steigt, bin ich natürlich hellhörig worden. Und wirklich, wie oft der Hermann bei der Stiefmama in der Wohnung verschwunden ist, des woa auffällig. Und manchmal hab ich grad dann damit begonnen, das Stiegenhaus zu waschen. Ich glaub, der Gangboden vor der Demandwohnung ist schon fast durchg’scheuert, so lang hab ich dort g’wienert, bis der endlich wieder rauskommen ist. Und ich sag dir, der Abschiedskuss war alles andere als mütterlich, wennst weißt, was ich mein’.“
    „Die … und der …, na ich bin baff.“
    „Des war ich auch, des kannst ma glauben.“
    „Und seit wann geht das so?“
    „Also seit wann, das weiß i ned, ned wahr. Aber in der vorigen Woche war er praktisch jeden Tag ein paar Stunden bei ihr. Zuletzt den ganzen Samstag. Er is erst knapp vor Mitternacht aus der Wohnung kommen, des weiß i ganz genau, weil i grad am Schlafengehen war, wia i die beiden am Gang flüstern g’hört hab.“
    „Und der Künstler?“
    „Mit dem war, glaub i, schon länger nix mehr. Es ist der Gnädigen wohl am Nerv gangen, dass er sie dauernd um ein Geld angebettelt hat, der Saubartl der. Nein, ich glaub, aktuell is nur der Schwiegersohn im Programm.“
    Bronstein erhob sich, trat an Eva heran und küsste sie innig auf den Mund: „Wenn du wüsstest, wie sehr du mir geholfen hast.“
    Eva sah ihn erstaunt an: „Bitte. Gern g’schehn.“
    Bronstein wirkte ein wenig unbeholfen: „Das war überhaupt der schönste Tag meines Lebens, und bei meinem Alter stehen die Chancen nicht sehr gut, dass er jemals übertroffen werden könnte. Was, liebste Eva, soll ich da noch sagen?“
    „Du könntest sagen, dass d’ mich bald wieder amal besuchen kommst.“
    „Nichts lieber als das! Nichts lieber als das, liebe Eva.“
    Die beiden lächelten sich einen Augenblick lang an, zwei vom Leben gebeutelte Menschen, die ihre vermeintlich beste Zeit schon lange hinter sich zu haben glaubten. Eva richtete sich verlegen den Saum ihres Kleides, und Bronstein wurde mit einem Mal bewusst, dass er splitternackt in der Küche des Hausmeisters stand. Sein alter Leib war alles andere als athletisch, und Bronstein bekam Fluchtgefühle. „Aber ich muss jetzt wirklich …“, er deutete auf die Uhr. „Ich weiß“, seufzte Eva und stand planlos im Raum.
    Bronstein verschwand im Zimmer und kleidete sich eilig an. Als er wieder in der Küche war, hauchte er Eva noch schnell einen Kuss an die Wange, murmelte „Ich melde mich“ und war, noch ehe sie irgendwie reagieren konnte, auf den Gang entschwunden. Er rauschte aus dem Haustor und bog sogleich nach links ab, um nach wenigen Metern eine weitere Linkswende zu vollführen, die ihn ins Innere der Gastwirtschaft spülte. „Herr Wirt“, sagte er laut, „ein Achtel!“
    „Weiß oder rot?“
    „Slibowitz.“
    Bronstein stürzte den Schnaps in einem Zug hinunter und kam, als die Wirkung des Getränks langsam einsetzte, endlich ein wenig zur Ruhe. Mit etwas zittrigen Fingern zündete er sich eine „Donau“ an, dann erst blickte er sich in dem Lokal um.
    Dort saß er. Der Hahnrei. Trotz der noch frühen Stunde schon sichtlich sternhagelvoll. Die Eva war wahrlich nicht zu beneiden. Mit so einem Mann war man gestraft, keine Frage. Aber wäre sie so viel besser dran mit einem Mann wie … ihm?
    Bronstein dachte daran, dass er im Büro besser ohne Fahne ankam, und bestellte nun einen Kaffee. Er setzte sich an einen der freien Tische und versuchte, die für den Fall relevanten Fakten noch einmal zu rekapitulieren. In der Alwine Demand hatte er sich offensichtlich schwer getäuscht. Von wegen große, unschuldige Rehaugen! Die Dame war anscheinend mit allen Wassern gewaschen. Vier Liebhaber – mindestens – binnen Jahresfrist! Das war mehr, als er in seinem ganzen Leben zuwege gebracht hatte. Interessant war allerdings vor allem die Verbindung zu Stiefsohn Hermann. Was, wenn die beiden einen Pakt geschlossen hatten: Er bekam die Firma, nach der er sich so sehnte, sie eine ansprechende Summe Geldes und jene Unabhängigkeit, die ihr der alte Fabrikant wohl gegen ihren Willen geraubt hatte. Das klang so unplausibel nicht.
    Bronstein fluchte innerlich. Und in diese Frau hätte er sich um ein Haar

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