Tacheles
verliebt!
Andererseits, konnte man es ihr verübeln? Sie war sicher ein lebenslustiges junges Ding, was sollte sie also mit einem alten, leeren Sack, der sie zu Hause einsperrte? Hermann war ihr Altersgenosse, und seine Ehe vielleicht auch alles andere als glücklich, insbesondere wenn sie aus Gründen der Familienräson geschlossen worden war. Man müsste sich, dachte Bronstein, einmal diese Kohn und ihren Hintergrundanschauen. Vielleicht hatte die als Sekretärin seinerzeit irgendetwas gegen die Familie in der Hand gehabt, und der edle Herr Sprössling musste in den sauren Apfel beißen. Oder vielleicht war sie einfach eine attraktive Frau, bei der allerdings allein das Äußere auf der Habenseite zu verbuchen war, und Hermann sehnte sich nach mehr als bloß optischen Reizen. Und wenn Hermann seinen Vater hasste, wofür ja mittlerweile einiges sprach, dann hatte es natürlich einen besonderen Reiz, diesem quasi die Frau auszuspannen. Und für manche mochte es gar ein gewissen Prickeln bedeuten, mit der eigenen Stiefmutter ins Bett zu steigen. Aber derartige Kabalen bedingten noch nicht automatisch andere Verbrechen, zumal in solchen Dimensionen.
„Mist“, schimpfte er leise, „dieser Fall wird immer verworrener.“ Jeder Tag brachte neue Verdächtige, die Ermittlungen mussten schon in nahezu jede Richtung ausgedehnt werden. Sein Blick fiel auf die Uhr, es war schon fast 17 Uhr. Wenn er Cerny noch treffen wollte, dann war es höchste Zeit, ins Büro zurückzukehren. Er sah noch einmal flüchtig in die Richtung des Hausmeisters, der ihn die ganze Zeit über geflissentlich ignoriert hatte, zahlte dann und ging.
Zehn Minuten später erreichte er das Polizeipräsidium. Eilig betrat er den Paternoster, wartete fast zappelnd auf die richtige Etage und hetzte dann in sein Büro, wo er Cerny, versonnen zum Fenster hinausschauend am Schreibtisch sitzend, vorfand.
„Na, Cerny, wie schau’n wir aus?“
„Fesch. Wie immer.“
„Und davon abgesehen?“
Bronstein meinte, ein gewisses Beben an Cernys Körper konstatieren zu können. Und in der Tat schien der Major förmlich vor Begeisterung zu platzen. „Du errätst nie, was ich heute herausgefunden habe.“
„Na, dann sag mir’s gleich.“
„Die Firma vom Demand wär im Frühjahr fast pleite gegangen. Es haben Unsummen in der Bilanz g’fehlt. Der alte Demand hat Gelder aus seinen Unternehmungen in Ungarn und der Tschechoslowakei umleiten müssen, damit er da wieder halbwegs liquid ist. Darum hat er auch in einem Streich hunderte Mitarbeiter entlassen. Und warum das alles, na, was glaubst, Oberst?“
„Keine Ahnung!“
„Der Junior hat sich verspekuliert. Und zwar mehrmals und überaus gründlich. Der hätt den ganzen Betrieb beinahe in den vollkommenen Ruin getrieben, wenn ihm der Alte nicht in den Arm gefallen wäre. Deshalb hat ihn der Alte auch sofort entmachtet. Der Junior war seit Mai nur noch ein weißer Elefant. Er hat zwar nach außen hin weiter so tun dürfen, als wär er die Nummer zwei des Unternehmens, de facto aber hat er nicht einmal mehr Geburtstagskarten unterschreiben dürfen.“
Bronstein dachte an die Informationen, die er von Eva bekommen hatte. „Na nicht schlecht“, sagte er und schickte einen Pfiff hinterher.
„Ja, aber das Beste kommt noch. Hör dir das an. Der Alte hat gemerkt, dass die Machinationen seines Sprösslings nur möglich waren, weil sie der Holzer gedeckt hat. Der steht kurz vor der Kündigung. Oder ist zumindest gestanden.“
„Na da kommt ja der Tod vom alten Demand den beiden überaus gelegen.“
„Das kannst laut sagen.“
Bronstein kam jener Gedanke wieder, den er im Wirtshaus gewälzt hatte. Der Fall wurde wirklich immer komplizierter. Und offenbar auch komplexer. Waren sie ursprünglich davon ausgegangen, dass es drei mögliche Motivgruppen gab, so stellte sich nun heraus, dass diese sämtlich miteinander verwoben waren. Der politisch motivierte Holzer stand inVerbindung mit dem ökonomisch motivierten Demand junior, der wiederum in Verbindung stand mit der offenbar amourös ambitionierten jungen Demand. Das grenzte ja schon fast an Verschwörung. Bronstein lehnte sich an den Schreibtisch und holte eine weitere „Donau“ aus seinem Etui.
„Weißt du, Cerny, was ich zwischenzeitlich herausgefunden habe?“ Dass ich doch noch ein toller Liebhaber sein kann! Nein, das sagte er besser nicht. „Dass du wahrscheinlich mit der jungen Demand Recht hast. Sie hat einen Liebhaber.“
„Na, hab ich es dir
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