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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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dämpfte Bronstein die Zigarette aus, indem er sie unter den Wasserstrahl hielt, um den Stummel hernach achtlos in die Spüle zu werfen. Er kehrte verhältnismäßig schnellen Schrittes zum Kleiderschrank zurück und zog sich an. Dann überprüfte er, ob sich seine Brieftasche am vorgesehenen Ort befand, griff nach den Schlüsseln und trat schließlich wenige Minuten vor acht Uhr morgens auf den Flur. Die warme Sommersonne erhellte sein Gemüt, und mit dem Versuch, eine lustige Weise vor sich hin zu pfeifen, steuerte Bronstein sein Stammcafé an.
    Er hatte noch nicht Platz genommen, da stellte der Ober schon den Kaffee auf den Tisch und reichte ihm wortlos die „Wiener Zeitung“, die Bronstein mit einem jovialen „Grüß’ Sie“ entgegennahm.
    Schon die Schlagzeile war dazu angetan, die Mundwinkel zu verziehen. Von einer Stunde der Diplomatie war da die Rede, und der Artikel lief darauf hinaus, Hitler mit Schalmeienklängen zu besänftigen. Wo war die Verve der vergangenen Tage geblieben? Zwar zeigte sich bei näherem Hinsehen, dass die Kritik an den Vorgängen in Deutschland nach wie vor ungebrochen war, doch traten die europäischen Gegner Hitlers anscheinend schon den Rückzug an. Der Gefreite aus Braunau war offensichtlich drauf und dran, mit seinem Schurkenstück durchzukommen. Dafür zitierte das Blatt weitschweifig einen ungarischen Kommentar, der behauptete, die Richtigkeit der Politik Kanzler Dollfuß’ habe sich im Zuge der deutschen Ereignisse glänzend erwiesen, denn nunmehr sei die Unabhängigkeit hundertprozentig gesichert. Nun, des Menschen Wille war sein Himmelreich. Bronstein blätterte weiter. Er konnte nicht behaupten, den Politikseiten mit sonderlicher Sympathie gegenüberzustehen, zumal an einem Tag wie heute, da ihn der Kopf trotz des Aspirins immer noch etwas schmerzte.
    Beiläufig nahm Bronstein zur Kenntnis, dass Fred Parry wieder im Finale des Tennisturniers von Wimbledon stand, und erinnerte sich daran, wie Cerny im Vorjahr von diesem Mann geschwärmt hatte. Bronstein machte sich nichts aus Tennis, für ihn war das ein elitärer Sport wie Herrenreiten oder Golf. Er blieb dem Fußball treu und überlegte immer noch, ob er am Sonntag ins Praterstadion pilgern sollte.
    Er war schon fast dabei gewesen, die Zeitung wegzulegen, als ihm im Wirtschaftsteil doch noch ein Artikel auffiel, der sein Interesse erregte. Die Arbeiterbank, einst das Prunkstück sozialdemokratischen Wirtschaftens, wurde nun von Finanzminister Buresch, dem ehemaligen Kanzler, mittels Verordnung endgültig liquidiert. Sie hatte ihre Partei nur um wenige Monate überlebt. Bronstein überlegte, was nun aus den Sparguthaben werden mochte, die wohl immer noch auf der Banklagen, doch wahrscheinlich verschwendete die Regierung daran keinen Gedanken, schließlich war nicht davon auszugehen, dass einer ihrer Anhänger jemals bei der roten Bank einen Betrag erlegt hätte.
    Und doch stimmte ihn dieser Umstand nachdenklich. Was hier vorfiel, erschien ihm ungerecht. Aber er war nun einmal Beamter, sagte er sich, während er in seiner Brieftasche nach dem üblichen Betrag für seine Bestellung kramte, und als solchem war es nicht an ihm, politische Entscheidungen zu kommentieren. Wenn durch diese Maßnahme Menschen ins Elend gerieten, war es an der Regierung, dies zu verantworten, und auch die jetzige Regierung würde sich früher oder später ihrer Verantwortung stellen müssen. So war es seit jeher gewesen, selbst die Ministerpräsidenten des Kaiserreichs waren nicht sakrosankt gewesen.
    Bronstein beschloss, sich vorerst mit dieser Erkenntnis zu trösten, und verließ sodann das Café, um die kurze Strecke Weges zu seinem Büro in Angriff zu nehmen. Schlag neun Uhr öffnete er die Tür zu seinem Amtszimmer. Wie nicht anders zu erwarten, war Cerny schon da und saß über die Akten gebeugt an seinem Schreibtisch. Er blickte nur kurz auf und wünschte einen guten Morgen, dann widmete er sich wieder den Schriftstücken.
    „Etwas Neues?“ fragte Bronstein aufs Geratewohl.
    „Bislang hat man uns in Ruhe gelassen. Ich habe eben mit der Firma Demand telefoniert, und man hat mir versichert, dass Herr Holzer zugegen ist. Wenn du willst, Oberst, könnten wir ihm dann gleich einen Besuch abstatten.“
    „Ja, das sollten wir tun. Aber gönn mir zuerst noch einen Kaffee und eine Zigarette.“
    Eine gute Viertelstunde später machten sich die beiden auf den Weg zum Hauptquartier der Firma Demand. Ohne weitere Verzögerungen landeten sie in

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