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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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kurze Machtkampf nicht entgangen, und allenthalben erhob sich Getuschel, das sich aber bald wieder beruhigte. Bronstein nutzte die Gelegenheit und zählte die Anwesenden, wobei er auf etwa vierzig Personen kam.
    Er war ein wenig enttäuscht, denn die übrigen Trauergäste waren samt und sonders ziemlich alt und gebrechlich, und niemand wirkte, als wäre er in der Lage, ein Verbrechen auszuhecken. Von Kotzler und Murer war natürlich keine Spur, und auch von den Bewohnern des Demand’schen Hauses hatte sich außer dem Hausmeister, der es sich wahrscheinlich mit den Erben gutstellen wollte, niemand eingefunden. Dass er den Hausmeister hier sah, traf Bronstein umso härter, weil er sich nun eingestand, insgeheim darauf gehofft zu haben, bei dieser Gelegenheit Eva zu begegnen. Er stellte sich die Frage, ob ihm nicht nur deshalb die Teilnahme an diesem Begräbnis so wichtig gewesen war, denn alles, was sich hier sonst noch beobachten ließ, war vielleicht, wie der Juniorchef und seine Stiefmutter miteinander umgingen. Und wenn das Verhalten in der Kirche symptomatisch war, dann durfte man auch in dieser Hinsicht nichts mehr erwarten. Ein verschwendeter Nachmittag.
    Cerny schien Ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn er schritt mürrisch neben Bronstein her und machte aus seinem Missmut keinerlei Hehl.
    „Ich denke, du hast Recht gehabt“, zischte ihm Bronstein zu, „da wird sich nichts mehr tun, was uns interessieren könnte. Was ist, gehn wir zum Pfeifer auf ein gepflegtes Bierchen?“
    Cerny schüttelte nur den Kopf: „Wenn wir schon einmal hier sind, dann leeren wir diesen Schierlingsbecher auch bis zur Neige. Wer weiß, vielleicht findet sich ja direkt am Grab noch jemand ein, auf den wir ein Auge werfen sollten.“
    Bronstein seufzte innerlich. Das war ja wieder einmal klar gewesen. Mit Cerny konnte man einfach nicht fünf gerade sein lassen, dazu war er viel zu korrekt und dienstbeflissen. Alsohieß es, sich in der prallen Sonne des frühen Nachmittags weiter durch die Grabreihen zu schleppen.
    Bronstein erschien der Weg ewig. Er hätte am liebsten laut gefragt, wie lange man denn noch gehen müsse, doch eine solche Regung verkniff man sich besser. Bronstein drehte sich um. Na bitte, die Kirche war gar nicht mehr zu sehen. Vermutlich befand man sich schon fast in Schwechat. Demand musste bei der Wahl seines Grabplatzes mehr als knausrig gewesen sein, denn so weit vom Zentrum des Friedhofs entfernt lagen für gewöhnlich nur arme Schlucker, Selbstmörder oder Fremde, die mit den hiesigen Bräuchen nicht vertraut waren.
    Der Trauerzug passierte das Feld, in dem die Überreste jener Leichen verscharrt wurden, die der Pathologie vermacht worden waren, damit irgendwelche künftigen Kurpfuscher an ihnen herumdoktern konnten. Bronstein wusste, jetzt war es nicht mehr weit bis zur Friedhofsmauer, an der das Areal unwiderruflich endete. Er wurde unruhig und merkte dabei, dass diese Empfindung auch andere Trauergäste zu haben schienen. Der Verdacht lag nun nahe, dass man einfach in die Irre gegangen war.
    Und in der Tat hielt der Zug plötzlich inne. Vorne berieten sich die Offiziellen mit dem Priester, riefen dann die Witwe zu sich, die alte, wie Bronstein bemerkte, und besprachen sich kurz. Dann vollführte die Lafette tatsächlich eine Wende, und mit einem Mal ging es wieder zurück Richtung Ausgangspunkt. Die Friedhofsbediensteten hatten den Trauerzug tatsächlich in die falsche Richtung geführt. Welch ein Sinnbild, dachte Bronstein und wischte sich ein weiteres Mal den Schweiß von der Stirn.
    Beinahe eine Viertelstunde ging es zurück, ehe man endlich in einen Seitenweg einbog, wo einige Gräber weiter eine frische Grube zu sehen war. Der Priester hieß den Zug anhalten, und die vier Männer hoben den Sarg von der Lafette, um ihn aufjenes Gestell zu platzieren, von wo aus er schließlich in die Erde abgesenkt werden würde.
    Erneut nutzte der Priester die Gelegenheit, die Anwesenden durch schier endlose Abschweifungen zu langweilen, dann erkundigte er sich beim Juniorchef, ob auch jemand aus der Familie das Wort ergreifen wolle. Selbst wenn sich ursprünglich jemand mit diesem Gedanken getragen haben mochte, nach den Tiraden des Kirchendieners waren alle viel zu erschöpft, um die Zeremonie noch mehr in die Länge zu ziehen, und so bedeutete man den Männern, sie mögen an die Kurbeln gehen, und schon bald versank was an Demand sterblich war unwiderruflich in der Tiefe.
    Bronstein wunderte sich, dass die

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