Tacheles
Holzers Büro. Dieser klappteeinen Büroordner zu, den er sodann in ein Regal hinter sich stellte, dann erhob er sich und reichte den Beamten die Hand. „Guten Morgen, die Herren, was kann ich diesmal für Sie tun? Hat sich etwas Neues ergeben?“ Dabei bemühte er sich, ein interessiertes Gesicht zu machen.
„Das hat es sich in der Tat“, eröffnete Bronstein das eigentliche Gespräch, „wir sind, wie Sie vielleicht ahnen, Ihre Bücher durchgegangen, und dabei haben sich einige Fragen ergeben, die einer Klarstellung harren.“
„Wirklich?“ Holzer wirkte ehrlich überrascht.
„Wirklich“, entgegnete Bronstein knapp. Danach forderte er Cerny auf, dem Prokuristen reinen Wein einzuschenken.
„Nun ja“, sagte Holzer, nachdem Cerny geendet hatte, „das ist alles im Großen und Ganzen nicht unzutreffend. Aber ich verstehe beim besten Willen nicht, was das alles mit der Ermordung von Herrn Demand zu tun haben soll.“
„Ohne an dieser Stelle auch nur die Andeutung einer Verdächtigung aussprechen zu wollen“, erwiderte Bronstein gedehnt, „aber es sind schon Fälle vorgekommen, in denen wirtschaftliche Motive auslösend für die Tat waren. Wie Sie sicher verstehen werden, müssen wir jedem Hinweis nachgehen, und die ökonomischen Schwierigkeiten der Firma Demand lassen gewisse Ereignisse doch in einem anderen Licht erscheinen. Zudem muss ich Sie fragen, ob es zwischen dem jungen und dem alten Herrn Demand zu Auseinandersetzungen, die Zukunft des Unternehmens betreffend, gekommen ist, und ob Sie in diese, so es sie gab, in irgendeiner Weise involviert wurden.“
„Nun“, antwortete Holzer, „es ist kein Geheimnis, dass der junge Herr Demand die Firma mit neuen Ideen wieder flottbekommen wollte, und ebenso wenig ist es ein Geheimnis, dass der alte Herr Demand diesen Ideen keineswegs aufgeschlossen gegenüberstand. Aber es ist ausgeschlossen, dass dieseMeinungsverschiedenheit auch nur im Entferntesten derartige Konsequenzen nach sich hätte ziehen können. Vielmehr kann ich Ihnen sagen, dass der junge Herr Demand bis zuletzt um Vermittlung bemüht war. Er ging sogar zu seiner Stiefmutter, mit der er nun wahrlich nicht auf gutem Fuße stand, damit diese in dem Konflikt interveniere.“
Bronstein lächelte schmal. Die diversen Alibis der drei Hauptverdächtigen ähnelten sich so auffallend, dass alles darauf hindeutete, dass sich die drei verabredet hatten.
„Und außerdem“, fuhr Holzer fort, „muss ich der Auffassung, die Firma Demand befinde sich in finanziellen Schwierigkeiten, energisch widersprechen. Die Firma ist absolut liquid. Die Umstrukturierungsprozesse der letzten Zeit mögen den Anschein erwecken, als sei unsere Bilanz negativ, doch wer auch nur die leiseste Ahnung von wirtschaftlichen Vorgängen hat, der weiß, dass ein kurzfristiger Engpass bei den Aktiva gar nichts zu sagen hat. Wir haben viel investiert, vor allem bei den Maschinen und den Gerätschaften, und das muss sich nun erst einmal amortisieren. Sie können aber versichert sein, dass sich unsere Ausgaben schnell rechnen werden. Das sieht auch unser Bankhaus so, weshalb es uns ohne auch nur einen Moment zu zögern die nötigen Überbrückungskredite gewährt hat. Wie Sie sich vorstellen können, sind Bankiers keine Samariter, sie wären also nicht so verfahren, würden sie unseren Konzepten nicht voll und ganz vertrauen.“
Bronstein lächelte weiterhin: „Sie haben Recht, ich verstehe nichts von der Wirtschaft. Aber auch ich verwalte ein Budget. Meines nämlich. Und daher weiß ich, dass, wenn ich Schulden habe, ich auch Probleme habe. Denn diese Schulden muss ich bedienen. Und je länger ich brauche, um sie zurückzuzahlen, umso höher sind die Zinsen. Ja, und irgendwann geht die ganze Rechnung dann nicht mehr auf, weil meine Außenstände meine Einkünfte übersteigen. Sie wissen, was ich meine.“
Nun verzog sich auch Holzers Mund zu einem Lächeln. „Das mag gewiss bei einem kleinen Sparer der Fall sein, im Wirtschaftsleben sehen die Dinge aber völlig anders aus. Das ist keine simple Soll-und-Haben-Rechnung wie bei einem Privatier, da müssen eben auch das sonstige Kapital, das Betriebskapital nämlich, sein Inventar, seine eigenen Forderungen Dritten gegenüber, fixe Lieferverträge und sonstige Vereinbarungen gleichfalls berücksichtigt werden. Schulden, lieber Herr Kommissar, sind eben nicht immer gleich Schulden.“
Bronstein sah Cerny an. Er wusste nichts mit diesen okönomischen Phrasen anzufangen und musste
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