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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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an den Vorfall, da Zimmer von einem Telefon in irgendeiner Hotellobby mit ihm gesprochen hatte und am Ende des Telefonats deutlich eine dritte Stimme zu vernehmen gewesen sei, die den Anrufer gefragt habe, ob er Kornelius Zimmer sei. Kurz danach sei die Verbindung unterbrochen worden.“
    „Das ist in der Tat sehr verdächtig“, erklärte Bronstein kategorisch. „Wissen wir mehr darüber, was der Tote gemeint haben könnte?“
    „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider nicht. Wir können nicht einmal einschätzen, ob man seine Informationen ernst nehmen sollte oder nicht. Aber im Zuge unserer Nachforschungen sind wir auf ein interessantes Detail gestoßen. Dieser Zimmer gehörte einer SA-Gruppe an, die sich regelmäßig im 7. Bezirk trifft. Und jetzt rate einmal, Oberst, wer, nach Auskunft unserer Konfidenten, ebenfalls dort recht oft verkehrt?“
    „Kotzler und Murer?“
    „Erraten. Das scheint mir doch ein sehr bemerkenswerter Zufall zu sein.“
    „Na wenigstens für diese Tat haben beide ein Alibi“, lächelte Bronstein.
    Für einen Augenblick sprach keiner der beiden Männer ein Wort. Cerny blickte auf die Uhr und sagte dann: „Du, Oberst, ich geh dann wieder. Wir haben da einen Hinweis wegendem Zimmer, dem ich heute noch nachgehen will. Aber der Fall Demand gehört ganz dir. Sobald du am Montag wieder einsatzfähig bist, nehmen wir uns die beiden vor, einverstanden?“
    „Ja, ja. Ich bin mir sicher, wir sind der Lösung der Causa schon recht nah. Das Verhör wird die entscheidenden Hinweise liefern. Für mich ist eigentlich klar, dass die beiden darin verwickelt waren. Die offene Frage ist nur noch, ob Juniorchef und Prokurist gemeinsam die Hintermänner der Tat waren oder doch nur einer von den beiden. Und genau das werden wir am Montag herausfinden.“
    „Das glaub ich auch.“
    „Na dann“, erklärte Bronstein aufgeräumt, „schönes Wochenende!“
    „Einen Moment noch“, Cerny holte aus seiner Tasche ein Buch, „jetzt bist du ja schon so weit, dass dir die Zeit hier wirklich ziemlich lang sein muss, und da wollt ich dir eine standesgemäße Lektüre mitbringen.“
    Bronstein lächelte. „St. Petri-Schnee von Leo Perutz“, las er laut.
    „Ich weiß, es ist schon im Vorjahr erschienen, aber ich dachte mir, das hast du sicher noch nicht gelesen“, ergänzte Cerny.
    Nein, er hatte es noch nicht gelesen. Er hatte überhaupt noch nichts von Perutz gelesen, wiewohl es hieß, dieser schreibe Kriminalromane. Doch wenn er aus diesem Grunde auch völlig unbelastet an die Lektüre des Buches hätte herangehen können, so irritierte ihn dennoch der Umstand, dass der Autor weithin dafür bekannt war, Jude zu sein. Erging sich jetzt auch schon Cerny in Anspielungen?
    „Weißt, Oberst“, sagte Cerny wie in Beantwortung von Bronsteins Gedanken, „bei den Manns, den Hauptmanns und den Falladas, da war ich mir einfach nicht sicher, was du schon alles gelesen hast, und da dachte ich mir, so ein Perutz, der istganz unterhaltsam, und ich laufe sicher nicht Gefahr, ein Buch zu schenken, dass der Oberst schon kennt.“
    Der Oberst nickte dankbar: „Es wird mir die letzten Stunden in diesem Etablissement verkürzen, worüber ich ehrlich froh bin. Kreuzworträtsel kann ich keine mehr sehen, und die Grammatik, die mir der Herr Duft mitgebracht hat, ist auch nicht gerade meine Kragenweite. Somit ist dieses Buch genau das richtige.“
    „Na das freut mich. Und weißt eh, was s’ uns als Kinder immer g’sagt haben?“
    „Was denn?“
    „Na, zweimal noch schlafen gehen, und dann kommt das Christkind.“ Dabei lächelte Cerny spitzbübisch. Bronstein schmunzelte gleichfalls: „Ja, hoffentlich. Aber für Kotzler und Murer kommt in fünf Tagen der Krampus. Und zwar gleich in doppelter Ausführung.“
    „In diesem Sinne, schönen Tag noch, Oberst.“
    „Ja, dir auch. Und bis Montag.“
    Bronstein riskierte, kaum dass Cerny das Zimmer verlassen hatte, einen Blick nach draußen und registrierte, dass sich das Wetter ungebrochen von seiner schönsten Seite zeigte. Er beschloss, die Lektüre des Buches im Freien zu beginnen, und begab sich ein weiteres Mal in den Hof, bewaffnet mit einem Perutz, einem silbernen Feuerzeug und schätzungsweise fünfzehn „Donau“, die kapitelweise immer weniger wurden.

XIV.
Freitag, 20. Juli 1934
    Bronstein stellte die kleine Tasche ab, in der sich die wenigen Habseligkeiten befanden, die er im Spital bei sich gehabt hatte. Dann blickte er sich in seiner Wohnung um. Alles war beim

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