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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Alten geblieben. Nur auf dem Zimmertisch lag nun ein dickes Aktenbündel. Bronstein hatte sich von Cerny ausbedungen, man möge ihm den gesamten Akt zum Fall Demand zukommen lassen, damit er sich nach der unfreiwilligen Pause über das Wochenende wieder in die Materie einarbeiten könne. Cerny hatte dankenswerterweise auch Bronsteins Haushälterin benachrichtigt, und so fand Bronstein eine wohl aufgeräumte Wohnung vor, wobei in der Küche sogar eine kleine Jause gerichtet war. Endlich wieder etwas Richtiges zu essen, dachte sich Bronstein und verzehrte die vorbereiteten Speisen mit größter Hingabe. Danach stellte er Kaffee zu und rauchte eine „Donau“, während er darauf wartete, dass die Espressomaschine das gewünschte Produkt lieferte.
    Unwillkürlich dachte er dabei zurück an das Krankenhaus. Die Nacht hatte er praktisch kein Auge zugetan, weil er es nicht mehr erwarten konnte, endlich wieder in die eigenen vier Wände zu kommen. Am Morgen hatte er das wie üblich äußerst kärgliche Frühstück eingenommen, dann alle seine Sachen schon zusammengepackt, um im Anschluss auf die Visite zu warten, die den endgültigen Sanktus für seine Entlassung geben musste. Bronstein hatte keine Sekunde gefürchtet, der Arzt könnte eine Verlängerung seines Spitalsaufenthalts über das Wochenende verfügen, denn in diesem Fall hätte er sich selbst entlassen. Er war einfach nicht mehr willens gewesen, noch eine einzigeStunde in diesem Gefängnis zu bleiben, und so war er förmlich, kaum dass er die nötigen Papiere ausgefolgt bekommen hatte, durch den Hauptausgang des Spitals ins Freie gelaufen, um dort in das erste Taxi zu springen und dem Fahrer seine Adresse zu nennen. Nun war er endlich wieder zu Hause, und das charakteristische Gurgeln der Kaffeemaschine bedeutete ihm, dass er sich nun eine Schale eingießen konnte. Er zündete sich eine weitere „Donau“ an, atmete tief durch und versenkte sich dann in den vor ihm liegenden Aktenstapel.
    Es dunkelte bereits, als Bronstein, völlig erschöpft und verspannt, den Aktendeckel zuklappte. Für ihn stand außer Frage, wie die ganze Sache gelaufen war. Kotzler und Murer, die beiden Nazischläger, hatten Demand ermordet. Und zwar auf Geheiß von Holzer, der ob seiner betrügerischen Machinationen um seine berufliche Zukunft hatte fürchten müssen. Hatte sich Holzer lange Zeit darauf verlegt, einfach abzuwarten, bis die Firma ihm von selbst in den Schoß fiel, so musste er wegen Demands gewachsenen Argwohns seine Taktik ändern. Der Weg zu den alten Kameraden, denen er wahrscheinlich eine entsprechende Entlohnung und längerfristig eine bessere Stellung im Betrieb versprochen hatte, war da naheliegend.
    Je länger Bronstein darüber nachdachte, umso mehr schloss er eine Verwicklung des Sohnes in die Affäre aus. Man konnte mit seinem Vater unterschiedlicher Meinung sein, man konnte sich mit ihm streiten, wahrscheinlich konnte man ihn sogar hassen. Aber es war, zumal in diesen Kreisen, doch äußerst unwahrscheinlich, dass der Sohn den Vater ermorden ließ. Wenn schon, dann geschahen solche Dinge aus eigener Hand und im Affekt. Vor Bronsteins geistigem Auge entstand ein Bild, in dem der junge Demand mit gezücktem Dolch auf den Vater einstach, dabei immer wieder „Ich hasse dich, ich hasse dich!“ rufend. Nein, kein Sohn aus gutem Hause ging einfach zu einem Schläger und heuerte den an, er möge Papa ausdem Weg räumen. Noch dazu, und das schien ihm im Lichte der eigenen Erfahrungen, die er im Zuge dieser Ermittlungen gemacht hatte, der entscheidende Punkt zu sein, war für die Kotzlers und Murers ja nicht nur der alte Demand ein „Saujud“. Das musste folgerichtig auch für den Sohn gelten. Also würden sich die beiden nicht mit dem jungen Demand abgegeben haben. „Kauft nicht bei Juden“ hieß ja wohl auch „Lasst euch nicht von Juden kaufen“. In Nazikreisen stieg man wahrscheinlich in der allgemeinen Achtung, wenn man einen Juden getötet hatte. Aber nur, wenn man diese Tat nicht im Auftrag eines anderen Juden vollführt hatte. Selbst wenn der junge Demand ihnen viel Geld geboten hätte, die beiden hätten es nicht riskiert, in den eigenen Reihen verfemt zu werden.
    Bronstein streckte sich durch. Für ihn war der Fall abgeschlossen. Kotzler und Murer waren die Täter, und Holzer hatte sie gedungen. Jetzt galt es nur noch, ihnen das im Zuge des Verhörs auch nachzuweisen.
    Und das wiederum bedeutete, dass man sich bis Montag gedulden musste. Bis dahin würde

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