Täuscher
er und dass wir es so machen sollten wie am Anfang geplant. Er bräuchte nur eine halbe Stunde Zeit, und ich solle die Clara beschäftigen und dass das doch nicht so schwer sein könne. Er kenne sich in der Wohnung noch vom letzten Mal aus. Ich bräuchte mir die Finger nicht schmutzig machen, er würde alles erledigen.
Wie wir auf der Gasse draußen gestanden sind, hat mir der Schinder erzählt, wie er die Sachen hinterher versilbern will, dass er einen an der Hand hätte, der ihm einen guten Preis dafür gibt. Ich solle mich raushalten und um nichts kümmern. Er hätte das schon geregelt. Wenn alles so ablaufen würde, wie er es sich dächte, dann könnte er seine Schulden abbezahlen und wäre mit einem Schlag aus dem Schneider.
Beim Rausgehen hab ich auf die Uhr geschaut, die gleich über der Kasse hing. Es war Viertel nach vier. Wir sind hinüber in den Hofgarten bis kurz vor fünf. Dort ist uns auch die Frau Günzinger begegnet, die hat das ja schon vor dem Richter bestätigt. Ich hab sie gegrüßt und auch noch ein paar Sätze mit ihr gewechselt. Sie ist eine alte Kundschaft meiner Eltern und wäre arg verwundert gewesen, wenn ich einfach ohne ein Wort an ihr vorbeigelaufen wäre. Kurz darauf haben der Luck und ich uns getrennt. Er hat gemeint, sicher ist sicher. Der Luck ist die Bindergasse hinunter, und ich bin langsam den Weg durch die Königsfeldergasse entlang. Ungefähr um diese Zeit herum hat es auch leicht zu nieseln angefangen. In der Neustadt hab ich den Schinder wiedergesehen, vor dem Haus, in dem die Clara wohnt. Er stand vor dem Schaufenster vom Schuhladen und hat hineingeschaut. Direkt neben ihm sind noch zwei Frauen gestanden und haben sich unterhalten. Ich bin derweil in den Konditorladen gegenüber und hab Pralinees gekauft. Sieben Mark zwanzig hab ich dafür bezahlt, die Rechnung muss noch irgendwo sein. Die Clara hat solche kleinen Aufmerksamkeiten geschätzt und ihre Mutter auch. Wie ich den Laden wieder verlassen habe, da hab ich zuerst den Luck nicht mehr gesehen. Ich bin dann über die Straße und hinauf in die Wohnung. Der Luck ist, noch ehe die Tür wieder ins Schloss gefallen ist, hinter mir ins Stiegenhaus. Die Clara hat mir oben die Tür aufgemacht, sie trug ein Negligé. Sie hat sich über die Pralinees gefreut und sie gleich zu ihrer Mutter ins Zimmer gestellt.
Wir haben dann zusammen Tee getrunken, und ich hab mich von ihr verabschiedet. Sie hat mich noch hinunter zur Tür begleitet. Ich hatte sie darum gebeten. Mein Gott! Es war das letzte Mal, dass ich die Clara gesehen hab, und da war sie noch am Leben! Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist!«
Hubert Täuscher brach weinend zusammen.
Samstag, 15 . Juli 1922 ,
Landshut, Café Thalia,
Gefängnishauptaufseher Franz Rauber,
5 . 54 Uhr abends
Franz Rauber ging direkt vom Dienst nach Hause, zog die Uniform aus und machte sich keine fünf Minuten später auf den Weg ins Café Thalia. Dort angekommen, zwängte er sich an den Tischchen des gutbesuchten Kaffeehauses vorbei zu einem Platz in der hinteren Ecke, halb verdeckt durch die Garderobe.
»Servus, ist der Platz hier noch frei?« Rauber griff mit der Hand nach der Rückenlehne des Stuhls zog ihn ein wenig zu sich heran.
Der Gast legte die Zeitung beiseite und gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich setzten konnte.
»Servus. Ich hab mir gerade einen Cognac bestellt, magst auch einen?«
»Da sag ich nicht nein.«
»Herr Ober, bitte einen Cognac für den Herrn.«
Und etwas leiser an Rauber gewandt fuhr er fort: »Ich habe mir sagen lassen, bei euch war in den letzten zwei Tagen ziemlich was los.«
Rauber rückte seinen Stuhl ein wenig zurecht, ehe er antwortete: »Ist ja auch in der Zeitung gestanden. Der Täuscher hat es sich anders überlegt und will plötzlich die ›Wahrheit‹ sagen.«
»Der Cognac für den Herrn. Darf es sonst noch etwas sein?« Der Ober stellte das Glas vor Franz Rauber auf den Tisch.
»Nein danke.« Rauber wartete einen kleinen Moment, erst als der Kellner außer Hörweite war, erzählte er weiter. »Heute in der Frühe ist es schon gut losgegangen. Erst hat der Dr. Fersch mit dem Täuscher noch einmal allein geredet, und am Nachmittag hat er sich den Schinder und den Täuscher gemeinsam vorgenommen.«
»Und?« Sein Gegenüber holte ein silbernes Zigarettenetui aus der Sakkotasche und legte es neben sich auf den Tisch.
Rauber nippte an seinem Glas.
»In der Früh war ich nicht dabei, aber am Mittag. Gegen eins hab
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