Täuscher
ich den Schinder aus seiner Zelle geholt und zum Staatsanwalt gebracht. Wie ich mit ihm ins Zimmer rein bin, ist der Täuscher schon da gesessen. Kerzengerade ist er dagehockt, als hätt er einen Stock verschluckt. Ang’schaut hat er keinen, den Blick immer fest auf die Kante des Tischs gerichtet. Nicht einmal ein kleines bisserl hat er sich gerührt, wie ich mit dem Luck rein bin.«
Franz Rauber blickte sich kurz um und rückte noch ein Stück näher an den Tisch heran.
»Der Staatsanwalt hat den Täuscher aufgefordert, seine Aussage, die er zuvor gemacht hat, zu wiederholen. Der war völlig fertig, ich hab geglaubt, der bricht uns jetzt mitten im Verhörraum zusammen. Geschwitzt hat er, und seine Stimme ist ihm ein paarmal fast weggeblieben.«
»Und der Schinder? Was war mit dem?«
»Der war ganz gelassen, zumindest am Anfang, hat die Behauptungen vom Täuscher ins Lächerliche gezogen. Lauter ist er erst geworden, wie die Rede auf den Tathergang kam. Aber auch da hat er sich nichts gefallen lassen und hat ganz schön rausgegeben. Er hat gesagt, dass es eine große Gemeinheit wäre, eine Niederträchtigkeit, wenn er jetzt das Urteil am Täuscher vollstrecken ließe, wenn er der Täter wäre.
Richtig theatralisch ist er geworden. ›Mich soll der Herrgott strafen, wenn ich an der Mordtat beteiligt bin, Herr Staatsanwalt‹, hat er gesagt. Das hättest sehen sollen. Gar nicht mehr aufgehört hat er mit seinem Getue, ›wie feige muss einer sein, ein wehrloses Frauenzimmer umzubringen, noch dazu wegen einem solchen Gelump. Keiner, der auch nur einen Funken Ehrgefühl und Anstand im Leibe hat, kann so was verstehen.‹ Ich bin die ganze Zeit hinten bei der Tür gestanden, hab zugehört und hab mir eins gegrinst.
Dann hat er noch gesagt, dass alles, was der Täuscher sagt, eine Lüge ist. Ein Hirngespinst.
Der Staatsanwalt hat den Täuscher dann gebeten, mit seiner Aussage fortzufahren.
Der hat noch einmal alles wiederholt, was er ausgesagt hat. Um sein Leben geredet hat der, gar nicht mehr aufgehört hat er. Er hat erzählt, dass der Plan, die Ganslmeier auszurauben, vom Schinder gekommen ist und dass er, der feige Hund, unten vor der Tür auf ihn gewartet hat. Und weiter, dass ihm der Schinder später den Mord eingestanden hätte. Da hättest den Luck sehen müssen. Der ist aufgesprungen: ›Das ist eine gemeine Lüge! Ich werd dem Täuscher noch richtig eine runterziehen!‹
Voller Wut ist er auf ihn los. Bis ich g’schaut hab, hat er ihn gepackt und will gerade zum Schlag ausholen, da bin ich dazwischen. Ich alleine hab den gar nicht mehr zurückziehen können, so in Rage war er. Nur mit Mühe haben wir ihn abhalten können, dass er sich an dem Täuscher nicht vergriffen hat. Ich sag dir, zu dritt haben wir ihn festgehalten und auf den Stuhl runtergedrückt.
Der Schinder hat gespuckt und geschrien: ›Ja, so ist es! Der Herr Täuscher ist der Unschuldige und ich der Täter. So schaut’s aus! Dabei habe ich von dem Schmuck nie etwas gewusst. Noch bis zu meiner Verhaftung hab ich geglaubt, dass das G’lump alles Familienerbstücke sind.‹ Und was das jetzt soll, es wäre doch schon alles in der Hauptverhandlung gesagt worden. Dann hat er so richtig angefangen: ›Ich will auf der Stelle verfaulen oder kein Wort mehr sprechen können, wenn ich an der Tat auch nur beteiligt war. Beim Leben meiner Mutter, bei allem, was mir heilig ist, der Täuscher lügt doch, wenn er den Mund aufmacht!‹ Da redet der Richtige, Ganovenehre, hab ich mir gedacht. Dem Schinder seine Stimme hat sich überschlagen, so hat er gebrüllt. ›Wenn es nach dem Herrn Täuscher geht, dann haben wohl alle Zeugen in der Hauptverhandlung gelogen, und nur der Täuscher sagt die Wahrheit – dass ich nicht lache! Du Schuft, du trauriger! Hineintunken willst mich, aber das wird dir nicht gelingen, Gott ist mein Zeuge!‹
Der Täuscher hat versucht, Land zu gewinnen, hat an den Schinder appelliert, doch die Wahrheit zu sagen.
Der war fix und fertig. Und dann hat er gesagt, der Schinder hätte ihn bedroht, dass, wenn er die Wahrheit sagt, ihm was passiert. Um sein Leben hätte er gefürchtet, und nur deshalb hätte er die ganze Zeit nichts gesagt.«
Raubers Gesprächspartner hörte aufmerksam zu.
»Der Staatsanwalt hat gemeint, der Schinder soll zu dem Vorwurf Stellung nehmen, doch der hat sich nur noch weiter in Rage geredet: ›Was redet der Täuscher für einen Krampf, ich hab so was nie zu ihm gesagt, ich weiß gar nicht, was das
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