Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
schlich sie den Korridor entlang.
Ein Wimmern. Ein Keuchen.
Kurz darauf prallte etwas von innen gegen die Tür am Ende des Flurs. Das Holz brach, und ein weiterer Schrei zerriss die Stille.
»Na warte«, zischte Zarah. »Was du kannst, kann ich schon lange.« Sie trat die Tür aus den Angeln und leuchtete umher.
Zerbrochenes Mobiliar, als hätte im Zimmer ein mittelschwerer Tornado gewütet. Eine Frau, zusammengekrümmt an einer Wand. Das Menschenmädchen stand in der Mitte des Zimmers, ausgerechnet mit einem Brotmesser bewaffnet.
Der Mann in der Ecke sah der Leiche vor dem Haus täuschend ähnlich, nur war er weniger dehydriert und hatte volles, dunkles Haar. Seine Augen blickten dumpf und teilnahmslos drein, die Gesichtszüge wirkten starr und verzerrt.
Die Frau schluchzte und zog sich ein Stück an einem Stuhl hoch, als sie Zarah bemerkte. »Wo sind Sie denn so lange geblieben? Helfen Sie uns!«
Sie wurde erwartet? Nicht wundern – handeln!
Sie zielte auf das Vieh, das knurrte und einen Schritt auf die Mutter zuwankte.
»Papa!« Das Mädchen fuchtelte mit dem Messer vor sich herum. »Papa, was tust du da? Hör auf!«
»Das ist nicht dein Vater. Verschwinde aus der Schusslinie! Mit deinem Zahnstocher wirst du eh nichts gegen ihn ausrichten können.«
»Ja, Alessa, lauf!«
Der Wandler drehte seinen Kopf dermaßen ruckartig der Mutter zu, dass beinahe das Knirschen der Wirbelsäule zu hören war. Alessa schwenkte verschreckt das Messer.
»Los, raus aus der Schusslinie!« Sie musste feuern. Hoffentlich würde sie das Menschenmädchen nicht erwischen.
Die Kugeln trafen in die Brust, den Hals, die Schulter des Wandlers. Nun war sie bei ihm, stieß Alessa zur Seite und duckte sich unter seinem Arm hinweg, den er niedersausen ließ.
Erneut feuern.
Die Kreatur brüllte auf. Der Atem pfiff leise durch die durchlöcherte Lunge, aus der kein Blut kam. Die Arme schlugen wild um sich.
Ausweichen. Feuern.
Das Vieh taumelte zurück und blieb für einen Moment schwankend stehen.
Sie wagte aufzuatmen und zerrte das Mädchen auf die Beine. »Tu, was deine Mutter sagt, und lauf!«
Alessa entwand sich ihrem Griff und hob das Messer auf, das ihr entglitten war. In den Augen – das blanke Entsetzen und dennoch Entschlossenheit. Dumm, aber mutig.
Eine Faust trommelte gegen die Fensterscheibe. »Zarah? Auf dem Haus liegt ein gegen Dämonen gerichteter Bann. Ich komme nicht rein!«
Ash! Die Schutzrune, natürlich.
Sie suchte den Blick der Mutter. »Sein Name ist Ashriel. Bitte du ihn als Herrin des Hauses herein! Kennst du den Spruch? Er wird den Bann für ihn brechen.«
Oder er würde es tun, wenn die Frau in der Lage war, wenigstens ein kleines bisschen Magie zu absorbieren.
Die Mutter keuchte und stammelte etwas, während sie mit weit aufgerissenen Augen den Formwandler anstarrte.
So wird das nichts.
»Na los! ›Steht nicht länger …‹«
»›Steht nicht länger vor der Türe, tretet in die gute Stube ein.‹«
Der Formwandler setzte sich erneut in Bewegung.
»Den Namen! Nenn den Namen! Ashriel.«
»J-ja. Ashriel. Tretet in die gute Stube ein, Ashriel.«
Na, prosit, wenn das was wird …
Nur noch zwei Patronen im Magazin.
Ihr Finger drückte auf den Abzug, dann noch einmal und immer wieder, bis nur noch ein metallisches Klicken ertönte, während sie Schritt um Schritt zurückwich.
Der Formwandler stürzte sich auf sie. Dem ersten Hieb wich sie aus, der zweite streifte ihre Schulter, beim dritten war sie zu langsam. Das Zimmer wirbelte um sie herum, und erst ihr Aufprall auf den Boden beendete das teuflische Karussell. Ihre Atmung setzte kurz aus. Die Konturen ringsherum verloren an Schärfe. Sie blinzelte, rieb sich die Augen. Wo war der Feind?
Auf der Zielgeraden zu Alessas Mutter. Dabei versuchten die Viecher doch normalerweise, zuerst die größte Gefahr aus dem Weg zu räumen. Und ein Mensch, der sich kaum aufrecht hielt, fiel definitiv nicht in diese Kategorie.
»Mama!« Alessa lief der Kreatur hinterher und rammte ihr das Brotmesser in den Rücken.
»Eisen!« Zarah rappelte sich auf. »Habt ihr Eisen im Haus?«
Der Wandler brüllte und schleuderte Alessa von sich. Mit einem Aufschrei krachte das Mädchen gegen die Wand und sank in sich zusammen.
»Der Schürhaken.« Benommen deutete Alessa zum Kachelofen in der Ecke des Zimmers. »Ist aber nicht rein.« Ihr letztes Wort ging in einen neuerlichen Schrei über, als der Wandler auf die Mutter zusprang.
Ash stürmte in den
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