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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Der Kopf tat ihm von dem Knall gegen die Wand weh. Seine Hände zitterten. Er wollte sich nur noch zusammenkauern und sterben.
    »Sieh mal«, sagte Hank. »Du trägst eine Skimaske, also wird dich niemand erkennen, klar?«
    Noam zögerte sehr lange. Dann stimmte er schließlich zu.
    »So ist’s brav. Guter Junge.« Hank nahm die Pistole. »Du mußt dich an sie gewöhnen, Nick-O. Du mußt sie in der Hand halten, sie berühren. Es ist wie mit Mädchen, Nick-O. Irgendwann mußt du damit anfangen. Zu Anfang ist es sicher komisch, aber nach ein paarmal …« Er schnipste mit den Fingern. »Dann hast du den richtigen Dreh raus. Hey, wenn wir diese Sache hinter uns haben, besorg ich uns noch mal ’n Mädchen …«
    »Nein.« Noam schüttelte den Kopf. »Für mich nicht.« Ihm drehte sich der Magen um. Er mußte an die Stöhnerei denken, an diese schlürfenden Geräusche, die er gehört hatte. An den Geruch von rohem Fisch, der durch die Badezimmertür drang.
    »Irgendwann mußt du schließlich anfangen.«
    »Noch nicht«, beharrte Noam mit gebrochener Stimme.
    »Okay, Kumpel«, sagte Hank und hielt ihm die Waffe hin. »Aber daran mußt du dich gewöhnen.«
    Noam holte tief Luft, dann schloß er die Finger um die Pistole.
    »Ist doch gar nicht so schlimm«, sagte Hank.
    Nein, dachte Noam. Es war nicht so schlimm. Im Grunde war es nur ein Stück Metall. Ein Stück Metall …
    »Ist sie geladen?«
    »Nein«, sagte Hank.
    »Wird sie geladen sein, wenn wir …« Noam verstummte und blickte zu dem schiefen Grinsen auf.
    »Wie du willst«, sagte Hank. »Wenn du den Typ davon überzeugen kannst, daß sie geladen ist, ist mir egal, ob sie’s tatsächlich ist oder nicht. Aber wenn sie’s nicht ist, solltest du zusehen, daß du keinen Scheiß baust.« Er hielt einen Augenblick inne. »Natürlich hab ich mein Weidemesser in der Hinterhand.«
    »Dann brauch ich’s also nicht mit einer geladenen Waffe zu machen?«
    »Meinst du, du schaffst es?«
    »Ja«, sagte Noam. »Ja, ganz bestimmt. Kein Problem.«
    »Dann wird sie nicht geladen sein.«
    Noam setzte ein breites Lächeln auf. »Ich mach’s, Hank. Ich mach es für dich.«
    »Hey, Kumpel. Das hör ich gern.«

22
    »Warum geht mir die Sache mit dem Fisch nicht aus dem Kopf?« sagte Decker zu Marge.
    »Jemand läßt sich einen blasen, während er einen Fisch ausnimmt …« Marge rieb sich die Arme. »Das muß irgendeine Bedeutung haben.«
    Sie trug eine weiße Baumwollbluse, eine Levi’s und eine gelbe Windjacke. Doch der Reißverschluß der Jacke war kaputt, und sie spürte die Kälte wie Nadelstiche auf der Haut.
    »Willst du meine Jacke?« fragte Decker.
    »Ist dir nicht kalt?«
    »Nein.« Decker reichte ihr seine Jeansjacke. Jede normale Frau wäre darin ertrunken, doch Marge paßte sie gut.
    »Das geht über sexuelle Perversion hinaus«, sagte Decker. »Da besteht ein Zusammenhang, den ich nicht rauskrieg.«
    »Erzwing es nicht. Es fällt dir schon ein.« Marge ließ ihren Blick über die vielen Menschen schweifen, die unterwegs waren. »Außerdem, wenn du ständig über Fisch nachdenkst, kriegst du nicht mit, was um dich herum vor sich geht. Und deshalb sind wir schließlich nach Westwood gefahren.«
    Sie hatte recht. Es waren viel zu viele Leute auf der Straße, und er brauchte all seine Konzentration zum Beobachten.
    Sie gingen auf dem Westwood nach Norden auf die Skyline von UCLA zu. Die Schlangen für die Acht-Uhr-Vorstellungen im Kino erstreckten sich über den ganzen Block. Die meisten Geschäfte waren offen – ein Laden für Cowboystiefel, ein Sportgeschäft, ein Miniladen, der auf lustige Glückwunschkarten spezialisiert war. Alle Eßbuden waren ebenfalls geöffnet. Die meisten verkauften Fressalien zum Mitnehmen – Eis, Schokoladenplätzchen, kleine süße Fladen. Decker kaute an einem Buttermilch-Doughnut, den er an einem Karren gekauft hatte, während er die Gesichter um sich herum betrachtete.
    Wie zu erwarten gab es etliche Gruppen von College-Studenten. Aber es gab auch Gruppen von Kindern, die eigentlich zu jung waren, um unbeaufsichtigt herumzulaufen. Jungen und Mädchen aus den unteren High-School-Klassen. Pummelige Mädchen, die so gerade in der Pubertät waren, mit fünf Ohrringen in jedem Ohr und grün gefärbten Haaren, die in merkwürdigen Büscheln vom Kopf abstanden. Trotz der Kälte hatten sie Miniröcke an. Die Jungs trugen weite Hosen oder Kampfanzüge. Weil sie noch keinen Bartwuchs und keine richtigen Muskeln vorweisen konnten, rauchten sie

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