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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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sie hätte eine Cousine, die auch Rina heißt, und beide sind nach der Großmutter mütterlicherseits genannt.«
    »Du glaubst also, der dicke Hersh ist mit dem verrückten Hersh verwandt?«
    »Wär immerhin möglich.«
    »Hat denn der dicke Hersh irgendwas von einem Cousin namens Hersh erwähnt?«
    »Ich hab nicht mit ihm persönlich gesprochen, sondern mit seiner Frau. Möglicherweise weiß sie nicht, daß ihr Mann einen Verwandten hat, der ebenfalls Hersh heißt.« Decker dachte einen Augenblick nach. »Ich glaub, ich ruf ihn mal an.«
    »Was versprichst du dir davon?«
    »Wenn der verrückte Hersh mit dem dicken Hersh verwandt ist, kann der mir vielleicht noch etwas mehr über diesen Verrückten erzählen. Oder vielleicht haben sie hier Verwandte … vielleicht ist Hersh deshalb mit Noam hierher geflogen.«
    »Sie sind zu niemandem gegangen, als sie nach Los Angeles kamen, Pete.«
    »Vielleicht haben sie ja eine Weile gebraucht, um alles auf die Reihe zu kriegen. Um sich erst mal richtig auszutoben, all das auszukosten, was sie zu Hause nicht durften. Ich weiß es nicht, ich sag nur, was mir so gerade in den Sinn kommt.« Decker sah auf seine Uhr. »Da drüben ist es jetzt halb zwei. Das muß sowieso bis morgen warten.«
    »Hast du noch Hunger oder hat dir der Doughnut gereicht?« fragte Marge.
    »Einen Kaffee kann ich immer vertragen«, sagte Decker.
    Zwei Hershs und beide hatten was mit Fisch zu tun. Außerdem fand er es einen merkwürdigen Zufall, daß das Fischgeschäft in Williamsburg war, wo der verrückte Hersh aufgewachsen war, und nicht in Crown Heights, wo der dicke Hersh wohnte.
    Darüber dachte er auf dem Weg zum Café nach.
     
    Noam kauerte in einer finsteren Gasse, in der es nach Müll stank, und schwitzte trotz der Kälte. Daß es kalt war, konnte er an der Pistole in seiner Hand erkennen. Auf dem Metall hatte sich Feuchtigkeit gebildet wie auf dem Lenker seines Fahrrads, wenn er es über Nacht draußen stehen gelassen hatte. Es mußte an der Skimaske liegen, daß ihm so heiß war. An der Skimaske und an seiner Angst.
    Als Hersh ihn in dieser Gasse postiert hatte, hatte er zuerst geglaubt, er müsse an dem Gestank ersticken. Außerdem hatte er furchtbare Angst, dort allein zu bleiben. Aber noch mehr Angst als davor, von einem Fremden überfallen zu werden, hatte er vor Hershs Wutausbrüchen. Während sich die Stunden hinzogen, steigerte sich seine Angst in Panik. Schatten wurden zu Menschen, die sich auf ihn stürzen wollten, jedes Geräusch klang wie eine Explosion. Er fühlte sich wie ein Stein in einer Schleuder, die bis zum Zerreißen gespannt war, bereit, jeden Augenblick loszuspringen. Mit seinen schwitzigen Händen konnte er die Pistole nicht richtig festhalten. Zweimal war sie ihm sogar schon runtergefallen. Vielleicht sollte er Hersh einfach erzählen, er hätte sie verloren.
    Aber dann würde Hersh wütend werden. Vielleicht würde er ihn sogar fortjagen.
    Und es war ja auch so, wie er gesagt hatte. Um diese Zeit konnte er nirgends mehr hingehen. Höchstens zur Polizei. Und davor hatte er furchtbare Angst.
    Wenn der Drogist ihn nun angezeigt hatte, weil er diese Dinger gestohlen hatte? Wej is mir. Wenn sie ihn verhafteten und ins Gefängnis warfen?
    Nein, er konnte nicht zur Polizei gehen.
    Möglicherweise suchten sie sogar schon nach ihm.
    Er merkte, wie seine Hände immer unkontrollierter zitterten, und sagte sich, er müsse aufhören, über das Ganze nachzudenken. Einfach versuchen, die Nacht von einer Minute zur nächsten durchzustehen.
    Nur die Nacht hinter sich bringen. Er betete zu Haschem um Erleuchtung, aber wie immer fand er keine Antwort im Tefillah. Nur leere Worte. Haschem antwortete ihm nie. Aber vielleicht betete er auch nicht richtig.
    Er war so verwirrt.
    Zumindest hatte Hersh ihn nicht gezwungen, die Pistole zu laden. Das Magazin war nur zur Schau drin.
    Du stehst doch wie ’n Idiot da, wenn du jemand mit ’ner Knarre bedrohst, und da ist kein Magazin drin. Der hält dich doch für bekloppt.
    Hersh hatte geschworen, daß das Magazin leer war. Er hatte Noam gezeigt, daß es leer war. Aber trotzdem wünschte Noam, daß das Magazin gar nicht da wäre.
    Vielleicht sollte er es einfach rausziehen.
    Aber dann würde Hersh wütend auf ihn werden.
    Etwas Warmes, Feuchtes tropfte aus seinem Körper. Er war bestimmt zwanzigmal auf der Toilette gewesen, aber es war immer noch was da. Er spürte, wie sein Kopf heiß wurde und vor Schmerz pochte. Er spürte, wie seine Knie

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