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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Zigaretten, um erwachsen zu wirken. Sie machten zwar mächtig Krach, waren aber größtenteils harmlos.
    Das traf auf die Homeboys nicht zu. Schwarze Kids im Teenageralter in viel zu großen Klamotten – sehr praktisch, wenn man eine Waffe zu verstecken hatte. Mit provozierenden Blicken peilten sie die Lage auf der Suche nach Mitgliedern feindlicher Gangs. Auf ihren kurzgeschnittenen Haaren trugen sie lässig nach hinten gedrehte Baseballkappen. Die Crisps waren so fanatisch in ihrer Rivalität mit den Bloods, daß sie noch nicht mal Worte aussprachen, die mit B anfingen.
    Aus den Ghettoblastern ertönte Rapmusik. Manchmal, wenn Mitglieder zweier rivalisierender Gangs aneinander vorbeigingen und sich böse beäugten, bildete die Musik eine mißtönende Mixtur, wie von zwei Marschkapellen, die sich gegenseitig übertönen wollten. Beide verlangsamten dann ihren schwungvollen Schritt ein wenig. Eisige Blicke wurden ausgetauscht, die bedrohlicher wirkten als Worte.
    Westwood wurde gut von Polizeistreifen bewacht. Schließlich waren hier die Erstaufführungskinos von L. A. und diverse gehobene Restaurants. Aber bei den Menschenmassen auf den Bürgersteigen und den vielen Autos, die die Straßen verstopften, konnte es durchaus passieren, daß ein unbeteiligter Zuschauer eine verirrte Kugel abbekam, wenn die Gangs anfingen, Krieg zu spielen.
    So viele Leute, aber bisher kein Hersh und kein Noam.
    Sie hatten fast alle Geschäfte abgeklappert und sämtliche Kinokassen. Jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich auf ihre Augen zu verlassen.
    »Ich glaub nicht, daß sie heute schon hier waren«, sagte Marge.
    Decker stimmte ihr zu.
    »Es ist fast halb elf«, sagte sie. »Wollen wir Schluß machen?«
    »Könnten wir eigentlich«, sagte Decker. »Falls sie noch auftauchen, haben die Geschäftsinhaber unsere Visitenkarten.«
    »Yeah, nur um die Fotos zu verteilen hat es sich schon gelohnt herzukommen«, sagte Marge. »Auch wenn sie heute nicht hier sind – um Scarlett zu zitieren: Morgen ist auch noch ein Tag.«
    »Mir gefällt Rhetts Zeile besser.«
    »Es ist dir scheißegal?«
    »Im Augenblick schon.«
    Marge lächelte und gähnte.
    »Ich vergesse immer wieder, daß du morgen arbeiten mußt«, sagte Decker. »Komm, laß uns gehen.«
    »Du denkst wohl immer noch über Hersh und den Fisch nach.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Guck dir diesen Typ an«, sagte Marge.
    Ein ausgemergelter Mann von einsachtzig schlängelte sich auf Rollschuhen durch die Menge. Er trug einen schwarzen Schleier über dem Kopf. »Krieg ich da was nicht mit?«
    »Keine Ahnung.«
    »Weißt du, Pete, ich hatte noch gar keine Gelegenheit, dir zu sagen, wie sehr es mir auf deiner Hochzeit gefallen hat.«
    Decker strahlte. »Es war eine tolle Hochzeit, oder?«
    »So was hab ich noch nie erlebt«, sagte Marge. »Man hört ja viel über jüdische Hochzeiten. Aber es ist was völlig anderes, wenn man selbst dabei ist.«
    »Besonders wenn man der Bräutigam ist.«
    »Weißt du, was mir am besten gefallen hat? Wie Cindy mit Rina getanzt hat. Das war irgendwie rührend.«
    Decker lächelte.
    Marge schüttelte den Kopf. »Und jetzt mußt du so was in deinen Flitterwochen machen?«
    »Nenn es bei Rina Punkte sammeln.« Er hielt einen Augenblick inne und aß den letzten Bissen von seinem Doughnut. »Ich leide zwar immer an der Illusion, daß ich eigentlich Urlaub und Ruhe brauche. Aber jetzt arbeite ich … und ich bin dabei nicht mal unglücklich.«
    »Das geht einem in Fleisch und Blut über, was?« sagte Marge. »Ich mach mir vor, daß ich dir nur einen Gefallen tu, wenn ich mit dir hier die Gegend abklappere. Aber was würd ich sonst machen? Harry hat ständig Bereitschaft. Wir treffen uns nur fürs Bett.« Sie hielt inne. »Kein schlechtes Arrangement.«
    »Eigentlich nicht …« Decker schnipste mit den Fingern. »Verdammt, jetzt hab ich’s!«
    »Was denn?«
    Decker lächelte. »So was Blödes … Hersh. Einer der Hershs, nach dem ich mich in Crown Heights erkundigt hab, ist Fischhändler.«
    »Und du glaubst, das ist der Hersh, nach dem du suchst?«
    »Nein. Dieser Hersh hat einen Bart und wiegt über zwei Zentner. Und er hat auch einen anderen Familiennamen. Hersh Berger oder Bergman, glaub ich. Aber es ist schon ein bißchen seltsam, oder? Zwei Hershs, die beide was mit Fisch zu tun haben.«
    Marge zuckte die Achseln.
    »Du mußt nämlich wissen«, sagte Decker, »daß Juden ihre Kinder häufig nach verstorbenen Verwandten nennen. Rina hat mal erzählt,

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