Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
nicht.«
    »Okay. Haben Sie bei dem Anruf irgendwelche Geräusche im Hintergrund gehört?«
    »Hm, kann schon sein«, sagte Miriam. »Ich hab da ehrlich gesagt nicht drauf geachtet.«
    »Das ist ganz normal«, sagte Decker. »Versuchen wir mal folgendes. Konnten Sie seine Stimme ganz deutlich hören? Zum Beispiel so klar wie meine Stimme jetzt.«
    »Ihre Stimme ist klarer. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, daß ich jetzt wacher bin.« Sie hielt inne. »Er könnte vielleicht aus einer Telefonzelle angerufen haben. Wenn ich genauer darüber nachdenke, klang es schon wie eine Verbindung aus einer Telefonzelle. Im Hintergrund war Verkehr, Geräusche von vorbeifahrenden Autos.«
    »Viel Verkehr? Wenig?«
    »Mittel.«
    »So ein Rauschen?«
    »Genau.«
    »Haben Sie irgendwelche Sirenen gehört?« fragte Decker.
    »Nein.«
    »Bei den Verkehrsgeräuschen, die Sie gehört haben, war da auch schon mal so ein Rumpeln dabei, daß man meint, die ganze Verbindung wird erschüttert?«
    Ein langes Zögern. »Ja«, sagte Miriam schließlich.
    Sie klang beeindruckt.
    »Gut«, sagte Decker. »Wie oft, Miriam?«
    »Hm … vielleicht drei- oder viermal.«
    »Und wie lange haben Sie mit Noam gesprochen?«
    »Ungefähr zwei Minuten.«
    Drei bis vier rumpelnde Geräusche in zwei Minuten. Lastwagen, die vorbeidonnerten. Und eine mäßige Anzahl vorbeirauschender Fahrzeuge morgens um halb drei. Also Autos, die schnell fuhren. Offenbar hatte Noam aus einer Telefonzelle in der Nähe eines Freeways angerufen. In West Hollywood und in der Innenstadt von San Francisco gab es keine Freeways. Auch keine breiten Durchfahrtsstraßen oder Highways. Aber in Downtown L.A. gab es viele Freeways.
    »Noam hat also gesagt, er hätte eine Pistole«, wiederholte Decker.
    »Ja.«
    »Aber er hätte sie nicht benutzt?«
    »Richtig.«
    »Hat er erwähnt, daß Schüsse gefallen sind?«
    »Nein … keine Schüsse. Bloß daß er eine Waffe hatte und sie nicht benutzt hätte.«
    Decker dachte einen Augenblick nach. Für ihn hörte sich das an, als hätten Noam und Hersh einen Schwulen überfallen, ihn mit der Pistole bedroht und ausgeraubt. Mit ein bißchen Glück war es nichts weiter als ein einfacher Raub. Aber Decker hatte seine Zweifel, weil Noam immer wieder von einer »furchtbaren Awera«, einer schweren Sünde, gesprochen hatte. Würde ein Junge wie Noam einen einfachen Raub, bei dem niemand verletzt wurde, als schwere Sünde betrachten?
    »Hat er Blut erwähnt?«
    »Nein, nichts dergleichen. Nur daß er eine furchtbare Awera begangen hätte.« Miriam verstummte. Dann sagte sie: »Mein Bruder weiß noch nicht Bescheid. Ich habe zuerst Sie angerufen.«
    »Das haben Sie richtig gemacht«, sagte Decker. »Ich mach mich gleich an die Arbeit.«
    »Soll ich denn meinen Bruder anrufen?«
    Ihre Stimme klang sehr zögernd. »Ich kann den Anruf für Sie erledigen, wenn Sie wollen«, sagte Decker. »Aber Ezra wird Sie eh zurückrufen. Er wird selbst mit Ihnen sprechen wollen.«
    »Da haben Sie recht«, sagte Miriam. »Ich rufe ihn selbst an. Es graust mir zwar davor, aber ich mach’s. Warum hat er nur seine Eltern nicht angerufen?«
    »Vermutlich hat er sich viel zu sehr geschämt.«
    »Warum mich?« Miriam sprach mehr mit sich selbst als mit Decker. »Warum mich? Nun ja, zumindest hat er überhaupt jemanden angerufen. Wenn ich mich nur richtig verhalten hätte …«
    »Sie haben es gut gemacht«, sagte Decker. »Miriam, ich möchte, daß Sie und die übrige Familie sich Anrufbeantworter kaufen, mit denen man Gespräche aufnehmen kann …«
    »O mein Gott!« rief Miriam. »Wir haben so ein Gerät! Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen. Wie dumm von mir!«
    »Ich hab Ihnen ja auch vergessen zu sagen, daß Sie’s benutzen sollen. Also mache ich mir jetzt keinen Vorwurf, und Sie machen sich auch keinen, okay?«
    »Okay.«
    Dann gab Decker ihr ganz genaue Anweisungen, was sie tun sollte, falls Noam noch einmal anrief. Was sie sagen, was sie fragen und worauf sie achten sollte. Wie sie ihn beruhigen sollte. Dann bat er sie, diese Anweisungen an den Rest der Familie weiterzugeben. Er schlug außerdem vor, daß die Familie einen Anwalt konsultieren sollte. Dieser Rat stieß zunächst auf Schweigen. Doch schließlich räumte Miriam ein, daß das eine gute Idee sei.
    Als Decker zu Ende geredet hatte, sagte sie: »Akiva, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr meine Familie Ihre Hilfe zu schätzen …«
    »Ist doch selbstverständlich«, fiel Decker ihr ins

Weitere Kostenlose Bücher