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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Wort.
    »Nein, das ist nicht selbstverständlich. So sollte niemand seine Flitterwochen verbringen müssen. Gestern hat Shimon gesagt, was Sie da machten, sei die höchste Form von Tzedakah, und wir haben ihm alle zugestimmt. Wahre Wohltätigkeit besteht nicht darin, einfach Geld zu spenden. Oder hier und da mal eine Stunde bei einer Wohltätigkeits-Organisation mitzuarbeiten. Wahre Tzedakah ist … ist, wenn man sich selbst gibt.« Sie fing wieder an zu weinen. »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.«
    »Es ist schon okay …«
    »Es ist nicht okay.«
    »Doch, wirklich.«
    »Danken Sie bitte auch Rina«, schluchzte sie.
    »Mach ich.«
    »Schana towa tikatewu ve-techatemu.«
    Erst wollte Decker den Segensspruch für sie wiederholen, doch dann beschloß er, daß sein Gehirn noch nicht gut genug funktionierte, um das Hebräische hinzukriegen. »Das gleiche wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie.«
    Familie, dachte er. Diese Frau war seine Halbschwester. Er hatte nie eine Schwester gehabt. Natürlich hatte er jetzt eigentlich auch keine. Er wünschte ihr alles Gute und hängte ein. Während er sich anzog, gab er Rina eine kurze Zusammenfassung dessen, was passiert war.
    »Ich telefonier vom Eßzimmer aus«, sagte er. »Geh du wieder schlafen.«
    »Ich bin hellwach«, sagte sie. »Telefonier von hier.«
    »Ach nein, ich bin vermutlich eh gleich weg.« Decker zog seine Hose an und schlüpfte in ein weißes Hemd. »Wenn es hier ruhig ist, wirst du wieder müde.«
    »Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«
    »Du kannst mir helfen, indem du versuchst, noch ein bißchen zu schlafen.«
    »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Rina starrte ihn an. Er wirkte irgendwie asymmetrisch. »Dein Hemd sitzt schief, Peter.«
    Decker sah an sich herunter. Der rechte Hemdzipfel war fünf Zentimeter länger als der linke. Er hatte schief geknöpft.
    »Ich helf dir«, sagte Rina und gab ihm einen Kuß auf den Hals.
    »Ich hab’s gern, wenn du mich anziehst«, sagte Decker. Und dann nach einem kurzen Zögern: »Aber noch lieber hab ich’s, wenn du mich ausziehst.«
    Lächelnd knöpfte Rina das Hemd richtig zu und gab ihm einen leichten Klaps auf den Hintern. »Paß auf dich auf.«
    Das hatte schon ewig keiner mehr zu ihm gesagt. Seit zehn, vielleicht sogar fünfzehn Jahren nicht mehr. Detektivarbeit war nicht gefährlich. Trotzdem war er gerührt von ihrer Bemerkung. Es war schön, jemandem etwas zu bedeuten.
     
    Bisher hatte es in dieser Nacht sechs Morde gegeben, vier davon waren das Resultat eines Bandenkriegs in der Southeast Division. Außerdem hatte in einer Bar in Hollenbeck eine Messerstecherei mit tödlichem Ausgang stattgefunden, bei der jedoch alle Beteiligten bekannt waren, und im Bezirk Devonshire hatte eine wütende Ehefrau ihren untreuen Mann erschossen, als sie ihn mit seiner Geliebten im Bett erwischte. Das bedeutete, daß Noams Opfer entweder noch nicht gefunden worden war, oder daß Noams Awera, seine schwere Sünde, kein Mord war.
    Die Sünde könnte auch Raub oder Körperverletzung gewesen sein. Bei einem so religiös erzogenen Jungen könnte es sogar Analverkehr mit dem Mann gewesen sein, den er angeblich aufgegabelt hatte. Angeblich. Ohne ihn selbst gehört zu haben, ohne mit ihm geredet zu haben, war es für Decker schwierig, den Anruf richtig einzuschätzen.
    Er rief das Sheriff-Büro von West Hollywood an und erkundigte sich nach den Vorfällen dieser Nacht. Ein Detective namens Jack Cleveland hatte keine Morde zu berichten. Es hatte zwar einige Überfälle gegeben, aber die Verdächtigen waren alle festgenommen worden. Der Rest waren Raub- und Einbruchsachen, bei denen jedoch nichts mit dem übereinzustimmen schien, was Noam Levine seiner Tante erzählt hatte. Es hatte keinen Sinn, zu den Schwulenbars dort in der Gegend zu fahren und die Gäste zu befragen. Um diese Zeit waren alle öffentlichen Lokale geschlossen. Falls nötig, würde er das irgendwann später machen.
    Als nächstes rief er bei der Central Substation an. Hier erhielt er endlich eine vielversprechende Auskunft. Vor etwa vier Stunden hatte sich in einer Gasse in der Nähe der Hall of Records ein bewaffneter Überfall ereignet. Der Detective, dem der Fall soeben zugeteilt worden war, hieß Felipe Benderhoff. Dieser berichtete, daß sich das Opfer – ein gut einsachtzig großer, neunzig Kilo schwerer Weißer mittleren Alters – in ernstem, aber stabilem Zustand befände und im Good Sam läge. Statt sich alle Einzelheiten am Telefon anzuhören,

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