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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Eine Sünde gegen den Menschen, eine Sünde gegen Gott. Er war der Niederste der Niederen. Bitte Gott, sei mir gnädig und laß mich sterben.
    Nachdem er sich übergeben hatte, wusch er sich das Gesicht. Er hatte so heftige Kopfschmerzen, daß er glaubte, jemand hätte ihm eine Kugel verpaßt. Sein Mund fühlte sich seltsam an, seine Lippe war aufgesprungen und auf die doppelte Größe angeschwollen. An einem Vorderzahn fehlte ein Stück, und die schartige Kante kratzte an seiner Zunge.
    Dieser Mann. Warm und feucht.
    Das Loch in seiner Brust, aus dem warmes Blut floß.
    O Gott, laß mich sterben!
    »Was machst du da drin?« rief Hersh. »Komm her, wir müssen miteinander reden.«
    »Augenblick noch«, brachte Noam mühsam heraus. Er wusch sich noch einmal das Gesicht. In einer Mischung aus Selbsthaß und Wut ballte er die Hand zur Faust und schlug sie gegen den Spiegel. Das Glas zersprang in tausend Stücke und schnitt ihn in Hand und Unterarm. Das kümmerte Noam nicht.
    Hämmern an der Tür. Hershs Stimme: »Was, zum Teufel, machst du da, Nick-O?«
    »Ich bin gleich fertig«, hörte Noam sich sagen. Immer noch zitternd wusch er sich die Hand und den Arm ab. Dann fiel ihm ein glitzerndes Stück Glas ins Auge. Scharf … ganz scharf. Er nahm es und zog eine gerade Linie quer über das Handgelenk. Der Schnitt fing sofort an zu bluten.
    Aber Selbstmord war eine weitere Awera, eine weitere Sünde. Zwei Sünden. Eine Sünde zieht die nächste nach sich. Awera gemat Awera.
    Es war leichter, umgebracht zu werden, als sich umzubringen.
    Hersh würde ihn wieder dazu bringen. Das wußte er.
    Doch diese Awera sollte auf jemand anders lasten. Er verband sich die Hand mit dem Handtuch.
    Das war die einzige Möglichkeit.
    Er fühlte sich jetzt etwas ruhiger, weil er auf eine Lösung gekommen war, die für alle gut war.
    Wenn er tot war, war er für niemanden mehr eine Belastung.
    Aber erst mußte er ein Bekenntnis – Widduj – ablegen, besonders vor Jom Kippur. Doch wem? Jemandem, der zuhören würde. Es mußte noch diese Nacht sein. Morgen war es vielleicht schon zu spät.
    Es mußte noch diese Nacht sein.
    Als er aus dem Bad kam, untersuchte Hersh gerade sein Messer.
    »Muß mir in dem Arschloch die Spitze abgebrochen haben. So eine Scheiße.« Er steckte das Messer in eine Lederscheide. Dann blickte er auf zu Noam.
    »Was hast du mit deiner Hand gemacht?«
    »Ich hab den Spiegel von dem Medizinschränkchen eingeschlagen.« Noam wartete, daß Hersh wütend werden würde. Es kümmerte ihn nicht mehr.
    »Warum das denn?«
    »Weil mir danach war«, sagte Noam.
    Hersh grinste. Dieses furchtbare schiefe Grinsen.
    »Ganz schön hart, Junge. Die Hand, das Gesicht … du siehst aus, als hättest du dich gerade zehn Runden mit ’nem richtigen Schwergewicht rumgeprügelt. Dieser Scheiß gibt dir endlich ein bißchen Mumm.«
    »Du hast ihn umgebracht«, flüsterte Noam.
    »Hältst du mich deshalb für ein Monster?« Hersh stand auf und stieß mit einem Finger gegen Noams Brust, »Jetzt will ich dir mal was sagen, Nick-O. Ich hab die Beretta klicken gehört. Hast du beim Abdrücken darüber nachgedacht, ob die Pistole geladen ist?«
    Er stieß noch einmal mit dem Finger zu.
    »Na? Hast du?«
    Noam schüttelte den Kopf. Nein, er hatte nicht darüber nachgedacht. Noch mehr Aweras. Sich umbringen zu lassen war die einzige Lösung. »Nein«, sagte er, »du hast recht. Ich hab nicht darüber nachgedacht.«
    »Hey, du findest es schlimm, daß du abgedrückt hast, ich find das gut. Deshalb hab ich dir auch geholfen. Ich hab gesehn, daß du’s bringst, wenn’s drauf ankommt. Ich mein, diesmal hast du’s zwar vermasselt. Aber da das dein erstes Spiel mit dem Feuer war, geb ich dir noch ein bißchen Gnadenfrist. Nächstes Mal ist die Pistole geladen.«
    Nächstes Mal, dachte Noam. Heute abend das Bekenntnis. Denn das nächste Mal würde das letzte Mal sein.
    Hersh starrte ihn an, als ob er versuchte, seine Gedanken zu lesen.
    »Ich meine, wenn’s überhaupt ein nächstes Mal gibt«, sagte Hersh. »Wir haben ja einen ganz guten Fang gemacht. Und wie gesagt, das Geld von dem Knallkopf sollte auch bald mir gehören.«
    Aber Noam hörte nur »nächstes Mal«. Nächstes Mal, letztes Mal.
    »Du solltest jetzt packen«, sagte Hersh. »Wir hauen ab.«
    »Wohin denn?«
    Hersh klopfte ihm auf den Rücken. »Mach dir keine Sorgen, Nick-O.« Er zwinkerte ihm zu. »Ich hab alles genau geplant.«

23
    Das laute Klingeln des Telefons riß Decker aus dem

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