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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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noch so viel Teschuwah zu leisten hatte.
    Was sollte er machen?
    Weglaufen?
    Keine Chance. Hersh war schneller.
    Denk nach, ermahnte Noam sich. Er war so müde, so schwach, so elend von dem, was passiert war, von viel zu wenig Schlaf.
    Stell dich dumm. Versuch, ein bißchen Zeit zu gewinnen.
    Noam wich zurück, ohne die Augen von Hersh abzuwenden. Langsam zog er den Reißverschluß an seiner Tasche auf. Er würde so tun, als hätte er die Pistole verloren. Das war ein guter Trick.
    Er griff hinein und wühlte darin herum. Ja. Da war die Waffe. Und zu seiner Überraschung war sie geladen. Zumindest war ein Magazin drin. Allerdings wußte er nicht, ob das Magazin leer war.
    Aber Hersh wußte das auch nicht.
    Noam nahm langsam die Pistole heraus und richtete den Lauf auf Hershs Füße. Er zwang sich, langsam einzuatmen, dann sprudelten die Worte förmlich aus ihm heraus.
    »Sie ist immer noch geladen. In der ganzen Hektik im Motel muß ich vergessen haben, das Magazin herauszunehmen. Ich dachte, ich hätt’s gemacht, muß es aber vergessen haben.« Noam umklammerte den Griff ganz fest und holte tief Luft. Gott war immer noch bei ihm. »Ich glaube, ich halte die in der Hand, bis wir losgehen. Nur für den Fall, verstehst du?«
    Noam beobachtete, wie Hersh sich nach vorne beugte und dann wieder zurück. Er konnte erkennen, daß Hersh richtig wütend war. Ganz furchtbar wütend! Hersh wollte ihn umbringen, ihn aufschlitzen. Hersh hatte es richtig Spaß gemacht, diesen armen Mann aufzuschlitzen. Er war ein Monster aus der anderen Welt, der Jetzer Hara in einem menschlichen Körper.
    Aber Noam war ebenfalls klar, daß er die Macht hatte. Er war derjenige, der die Waffe in der Hand hielt. Hersh war gefangen! Gefangen, gefangen, gefangen!
    Hersh zuckte die Achseln. »Klar, ganz wie du willst.« Er kehrte an seine alte Stelle zurück und setzte sich auf die Erde. »Du kannst die nächste Stunde Wache halten. Dann sollten wir besser los.«
    »Legst du dich schlafen?« fragte Noam.
    Zuviel Hoffnung in der Stimme.
    Hersh setzte wieder dieses breite schiefe Grinsen auf. Vorsichtig begann er, mit dem Messer Muster in den Boden zu ritzen. »Nee, bin zu aufgedreht, um zu schlafen. Wenn du willst …«
    »Nein.«
    »Dann bleiben wir halt beide wach.«
    »Okay«, sagte Noam.
    Hersh zeichnete weiter Muster. »Wir können ja im Flugzeug schlafen.«
    »Okay.«
    »Ich hab’ alles genau geplant.« Er zeichnete akkurate konzentrierte Kreise. »Wir fliegen Business Class. Wir gehen in ein erstklassiges Hotel, alles piekfein. Wir haben uns ein bißchen Schlaf verdient, Nick-O. Hey, ich wollte nicht, daß wir so im Dreck hausen, aber manchmal passiert …« Er riß den Kopf hoch.
    »Was ist?« fragte Noam. Seine Knöchel waren ganz weiß, so fest hielt er die Pistole umklammert.
    »Hast du das gehört?« flüsterte Hersh.
    »Was gehört?«
    »Dieses Geräusch?«
    »Was für ein Geräusch …«
    »Halt die Klappe und lausch«, flüsterte Hersh.
    Noam hörte nichts. Reiß dich zusammen!
    »Da ist jemand«, sagte Hersh.
    »Ich kann nichts …«
    »Schnauze!« flüsterte Hersh wütend. »Kann sein, daß es nichts ist, kann aber auch was sein. Gib mir die Pistole!«
    »Nein«, sagte Noam und wich zurück. »Geh weg!«
    »Sprich leiser, verdammt noch mal!« flüsterte Hersh.
    Noam spürte, wie ihm die Knie zitterten. »Du versuchst mich auszutricksen. Du willst mich umbringen. Du behauptest das nur …«
    »Schnauze!«
    »Du behauptest das nur, damit du mich umbringen kannst!« schrie Noam. »Ich werde dir die Pistole nicht geben! Niemals! Und wenn du auch nur einen Schritt näher kommst, wenn du dich bewegst, erschieß ich dich! Ich werd’ dich totschießen!«
    Hersh starrte ihn an. »Du bist verrückt, Nick-O! Muß wohl an dieser ausgeflippten Stadt liegen! Da kommt jemand, und du bringst uns beide um!«
    »Du lügst!«
    »Hörst du das denn nicht?« flüsterte Hersh verzweifelt. »Hörst du die Schritte nicht. Ich kann es nicht fassen …« Er fing an, auf und ab zu gehen. »Von mir aus bleib hier, Kumpel, aber ich bin weg!«
    Doch als Noam die Pistole auf Hershs Kopf richtete, blieb dieser abrupt stehen. Die Geräusche wurden lauter.
    Noam geriet in Panik. Da waren Geräusche. Ihm schnürte es die Kehle zu, und er fing an zu keuchen. Hersh hatte nicht gelogen. Da war jemand. Was sollte er bloß machen?
    Hersh sah die Angst in Noams Augen und flüsterte ganz schnell: »Leg die Pistole weg, Nick-O. Wenn das ’n Bulle ist, tun wir, als wären wir

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