Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
Rina.
    Friedas älteste Tochter Miriam schrie immer wieder Mama, Mama. Shimon, der älteste Sohn, nahm Rina seine Mutter ab und schlug ihr mehrfach auf die Wangen. Ezra, der mittlere Sohn, brüllte die jüngere Tochter an, sie solle etwas Wasser holen. Der jüngste Sohn, Jonathan – der konservative Rabbi – schlug vor, einen Arzt anzurufen. Sein Vater sagte, es wäre schließlich Jom Tow, und wenn sie einen Arzt brauchten, würde er lieber zu Dr. Malinkov laufen, als den Feiertag zu entweihen. Jonathan entgegnete, das sei doch lächerlich, ein Leben zu retten wäre wichtiger als ein Gesetz einzuhalten, und er würde telefonisch einen Krankenwagen rufen, wenn sein Vater damit Probleme hätte. Rina brüllte in die ganze Hysterie hinein, daß Frieda doch nur ohnmächtig geworden sei und nichts weiter brauche als frische Luft und einen Ort, wo sie sich ausruhen könne. Man solle sie ins Elternschlafzimmer bringen und sie erst mal wieder zu sich kommen lassen.
    Erstaunlicherweise hörte man auf sie. Friedas drei Söhne trugen ihre Mutter in das Schlafzimmer der Lazarus’ und legten sie auf eins der beiden Betten. Sobald ihr Kopf das Kissen berührte, öffnete Frieda die Augen und stöhnte. Rina setzte sich neben sie und streichelte ihr übers Gesicht. Miriam befahl ihrer Mutter, nicht zu sprechen.
    »Seht ihr, es gab überhaupt keinen Grund, Jom Tow zu entweihen«, sagte Friedas Mann triumphierend.
    »Papa, es könnte immer noch sein, daß sie einen Arzt braucht«, sagte Jonathan.
    »Sie ist doch wieder zu sich gekommen!« beharrte sein Vater. »Es ist doch wieder gut!«
    Jonathan bemerkte, daß sein Vater zitterte und nur aus alter Gewohnheit ein paar religiöse Floskeln von sich gab. In Wirklichkeit war er genauso erschrocken wie alle anderen. »Setz dich, Papa, du bist ja ganz blaß.« Dann wandte er sich an seine Schwester und sagte: »Miriam, bring Papa bitte nach unten.«
    Miriam nahm ihren Vater am Arm. Er stieß sie von sich, doch dann stolperte er. Miriam fing ihn auf. Rabbi Levine erklärte, er würde nirgendwo hingehen, und seine Kinder sollten endlich aufhören, ihn herumzukommandieren, er wüßte schon, was für ihn gut sei.
    In diesem Moment kam Faygie, die jüngste Tochter, mit einem nassen Waschlappen zurück. Rina nahm den Lappen und tupfte damit Friedas Stirn ab. Dann sah sie sich rasch im Raum um – eine Mauer von Gesichtern. Rabbi Levines Haut war richtig gräulich geworden. Sie schaffte es, Jonathan auf sich aufmerksam zu machen.
    »Ich finde, dein Vater sieht nicht gut aus«, sagte Rina.
    Jonathan legte einen Arm um seinen Vater. »Laß uns nach unten gehen, Papa. Mama ist in besten Händen.«
    Der alte Mann war zu schwach, um zu widersprechen.
    Rina rieb weiter mit dem feuchten Tuch über Friedas Gesicht. Ihre Augen waren immer noch glasig, und Rina machte sich allmählich Sorgen. Vielleicht war es doch irgendwas Ernsteres. Doch kurz darauf ergriff Frieda Rinas Hände, und innerhalb weniger Sekunden standen ihre Augen voller Tränen.
    »Was ist denn los, Mama?« schrie Faygie auf.
    »Du hast dich überarbeitet«, schalt Miriam mit Panik in der Stimme. »Du läßt dir ja nicht helfen. Du wirst allmählich zu alt, um die ganze Kocherei allein zu machen. Warum läßt du dir denn nicht von mir helfen …«
    »Miriam …«, sagte Shimon vorwurfsvoll.
    Sie verstummte.
    Frieda weinte immer noch. Rina wischte ihr die Tränen weg und sagte ihr, daß alles in Ordnung sei. Doch Frieda schüttelte heftig den Kopf.
    »Nun red schon, Mama«, sagte Shimon.
    »Was ist denn los?« fragte eine andere Stimme.
    Rina drehte sich der Magen um. Ihre Schwägerinnen waren nach oben gekommen. Und deren Männer. Und ein paar Kinder. In dem Zimmer war es mittlerweile so heiß und stickig, daß es für jeden unerträglich war. Mit so viel Autorität in der Stimme, wie sie aufbringen konnte, erklärte sie den Anwesenden, daß Frieda jetzt Ruhe brauche und diese ganze Hektik nicht vertragen könne. Es wäre bloß ein Schwächeanfall, und alle möchten jetzt bitte das Zimmer verlassen, damit die Frau zur Ruhe käme.
    »Ich bleibe bei ihr«, sagte Miriam.
    »Nein, ich«, beharrte Faygie.
    »Raus mit euch!« befahl Rina. »Ihr seid alle viel zu aufgeregt, das bringt jetzt nichts!«
    Rina war überrascht über den Befehlston in ihrer Stimme. Shimon erklärte, daß Rina recht hätte, und komplimentierte alle aus dem Zimmer.
    »Aber sie braucht doch ihre Familie«, protestierte Miriam. »Nichts gegen dich, Rina, aber sie braucht

Weitere Kostenlose Bücher