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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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sicherzugehen, fragte er trotzdem, wer da sei. Als sie ihre Namen nannten, rief er sie herein.
    Sie tätschelten seine Wange, hielten seine Hand, strichen die Bettdecke glatt und fragten, ob sie ihm was bringen könnten.
    Er hatte so ein schlechtes Gewissen, weil er simulierte. Doch um seine Rolle mit Strasbergscher Glaubwürdigkeit zu spielen, brauchte er sich nur eine Begegnung mit Frieda Levine oder mit deren Eltern vorzustellen, und schon drehte sich ihm der Magen um.
    Sammy fragte ihn, ob er krank geworden sei, weil er auf dem Flug hierher so unausstehlich war. Decker versicherte ihm, daß das nicht der Fall war, konnte den Jungen jedoch nicht ganz überzeugen. Sam, der ältere von Rinas Söhnen, war ziemlich frühreif und neigte wie seine Mutter dazu, sich alle Probleme der Welt aufzuladen, wenn sein Rücken nur breit genug gewesen wäre. Decker küßte den jungen auf die verschwitzte Wange und um ihn etwas abzulenken, bat er ihn, ihm eine Tasse Tee zu bringen. Damit Jake sich ebenfalls nützlich fühlte, schickte er ihn Zitrone und Zucker holen.
    Jakey lächelte. Es war Rinas Lächeln. Der Junge war Rina absolut aus dem Gesicht geschnitten. Sam hatte helleres Haar, aber einen dunkleren Teint. Er sah aus wie sein Vater. Auch das mußte für die Familie Lazarus hart sein.
    Mit ernster Stimme schlug Sammy vor, er solle doch anstelle von Zucker Honig in seinen Tee tun. Honig hätte eine beruhigende Wirkung, und schließlich sei ja auch Rosch ha-Schana. An diesem Feiertag wurde traditionell Honig gegessen, weil er ein süßes neues Jahr symbolisierte.
    Decker sagte, Honig sei eine famose Idee.
    Nachdem die Jungen gegangen waren, schloß er die Tür hinter ihnen ab, da er keine ungebetenen Gäste wünschte.
    Kurz darauf drehte sich der Türknauf, dann ein Klopfen und Rinas Stimme: »Peter, mach die Tür auf!«
    »Ja, Ma’am.«
    Rina kam herein. »Ich wollte mich nicht wie ein Feldwebel anhören.«
    »Du hast diese ganzen Fragen bravourös abgewehrt.«
    »Danke.« Sie fühlte ihm mit dem Handrücken die Stirn, dann die Wangen.
    »Rina, ich bin nicht wirklich krank«, sagte Decker.
    »Ach ja.« Rina ließ die Hand sinken. »Das stimmt. Was mache ich bloß? Ich weiß schon nicht mehr, was ich tue. Du fühlst dich allerdings tatsächlich ein bißchen heiß an, Peter.«
    »Das Leben eifert der Kunst nach.«
    Es klopfte an der Tür. Noch einmal die Jungen, die seinen Tee brachten.
    »Alle wünschen dir recht baldige Besserung – refuah schelema«, sagte Jacob zu Decker.
    »Danke.«
    »Möchtest du, daß ich bei dir esse?« fragte Sammy. »Du siehst ein bißchen einsam aus.«
    Im Grunde hätte sich Decker sehr über die Gesellschaft gefreut. Doch er sagte: »Kein Problem, Sam, mir geht’s ganz gut. Ich weiß, daß da unten ’ne Menge Kinder sind. Spielt schön.«
    Sammy küßte ihn auf die Stirn. »Du fühlst dich heiß an, Peter.«
    »Ich glaube, euer Vater hat ein bißchen Fieber«, sagte Rina.
    »Ruh dich aus«, sagte Jacob und küßte ihn auf die Wange. »Ich seh später noch mal nach dir.«
    »Ich auch«, fügte Sammy hinzu.
    Als die Jungen weg waren, fragte Rina: »Möchtest du nicht doch ein bißchen Gesellschaft?«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Du siehst wirklich einsam aus.«
    »Nein, es geht mir ganz gut.«
    »Echt gut?«
    Decker lachte. »Nein, es geht mir überhaupt nicht gut. Ich möchte am liebsten, daß du bei mir bleibst …«
    »Dann tu ich das auch.«
    »Nein, kommt überhaupt nicht in Frage. Du ißt mit deiner Verwandtschaft …« Er hielt einen Augenblick inne und dachte: Verwandtschaft. Bis auf ihre Söhne hatte Rina keinen einzigen Blutsverwandten da unten. Aber er. »Iß mit ihnen. Aber wenn’s kein Problem ist, bring mir doch bitte was zu essen rauf. Mir knurrt der Magen.«
    »Mach ich.« Sie küßte ihn auf den Mund und ging.
    Decker schloß die Tür hinter ihr ab und kroch zurück ins Bett. Er dachte eine Weile über alles nach. Verwandtschaft. Eine Mutter, Großeltern, fünf Halbgeschwister, Gott weiß wie viele Nichten und Neffen … Er schloß die Augen und spürte, wie alle noch vorhandene Energie aus seinem Körper wich. Er döste, bis ihn ein lautes Pochen an der Tür weckte und er mit rasendem Herzen hochschreckte. Rina nannte ihren Namen.
    Decker antwortete mit einem schlaftrunkenen Yeah, öffnete die Tür und ließ sich wieder aufs Bett fallen.
    »Hab ich dich geweckt?«
    Er antwortete nicht.
    »Peter, du siehst so bleich aus.«
    »Ich bin bloß müde«, sagte er. Müde war eine

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