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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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höfliche Umschreibung. ›Mir geht’s beschissen‹, wäre treffender gewesen. Doch plötzlich wurde sein Geruchssinn angeregt. Er richtete sich auf und sagte: »Was hast du mir mitgebracht?«
    »Lauter gute Sachen.«
    Es gab ein Rippenstück vom Rind, knusprig braun gebraten, von dem der Saft nur so heruntertropfte. Dazu eine Gemüseplatte – Bratkartoffeln mit Zwiebeln und grünem Paprika, Möhrenauflauf mit braunem Zucker und Rosinen bestreut, panierter Blumenkohl, gekochter Spargel, Zucchini in Tomatensauce und ein süßer Nudelauflauf mit Ananas und Nüssen verziert. Dazu der traditionelle Teller mit Apfelstücken in Honig.
    Essen, Essen. Berge von Essen.
    »Ich glaube, du brauchst ein Tablett«, sagte Rina.
    »Gute Idee, wenn du nicht unbedingt Bratensauce im Bett haben willst.«
    Sie grinste. »Ich liebe schmierige Betten. Ich besorg dir ein Tablett und was zu trinken.« Sie sah ihn fragend an. »Du möchtest doch sicher noch eine Kanne Tee?«
    »Wenn du schon mal unten bist, wie wär’s, wenn du mir noch ein Besteck und ein paar Servietten mitbringst?«
    »Hab ich dir keine …? Ich bin so zerstreut. Zieh es doch einfach durch die Nase ein.«
    »Raus hier«, sagte Decker.
    Sie ging lachend hinaus. Decker konnte nicht warten, bis sie das Besteck brachte. Er aß ein Stück Apfel mit Honig, dann löste er Fleisch vom Knochen und nahm einen großen Bissen.
    Es schmeckte unbeschreiblich gut. Er nagte einen Knochen ab und verputzte auch noch den Rest. Dann nahm er den panierten Blumenkohl in die Hand und aß ihn ebenfalls auf. Als nächstes kam der Spargel dran. Er knickte Stange für Stange in der Mitte und schob sie ganz in den Mund.
    Es klopfte an der Tür, dann wurde sie aufgeschoben.
    Decker blickte auf in der Erwartung, Rina zu sehen.
    Statt dessen sah er Mrs. Lazarus – und sie.
    Decker merkte, wie sich seine Augen weiteten und sein Mund aufklappte.
    Zu überrascht, um den Blick zu senken, zu überrascht, um cool zu bleiben.
    Sie lächelte. Ihre Lippen waren leuchtend rot geschminkt, auf ihren Vorderzähnen war ein bißchen Lippenstift verschmiert.
    Ein breites Lächeln.
    Überhaupt nicht wie seins.
    Eine Fremde.
    Die beiden Frauen standen da, jede ein Tablett mit Süßigkeiten in der Hand – Kuchen, Kekse, Strudel, Schokoladenplätzchen …
    Er sah ihr in die Augen.
    Strahlende Augen.
    Aber nur für einen Moment.
    Dann kam die Verwirrung, das Erkennen, der Schock, der Sturz in die Verzweiflung.
    Mit den ganzen Tellern auf dem Schoß konnte er nichts tun, nirgendwo hinlaufen.
    Er drehte den Kopf zur Seite, wußte aber, es war zu spät. Er hörte ein Keuchen und dann das Tablett zu Boden fallen. Er blickte auf und sah, wie sie mit einer Hand an ihre Brust griff und gleichzeitig nach hinten taumelte. Ihre Augenlider flatterten, und ihre bleichen Lippen zitterten.
    Mrs. Lazarus brüllte immer wieder Frieda!
    Rina schrie Was machen Sie denn hier!
    Mrs. Lazarus kreischte schließlich Ruf einen Arzt!
    Rina schob ihre Schwiegermutter aus der Tür und befahl ihr, nach unten zu gehen.
    Frieda Levine rang nach Luft.
    Rina versuchte, sie aufzufangen.
    Mrs. Lazarus schrie immer noch, man solle einen Arzt rufen.
    Und Decker saß einfach da – ein Vietnamveteran, seit zwanzig Jahren Polizist, der in drei verschiedenen Dezernaten gearbeitet hatte, Waffenexperte, der perfekte Vorposten für jede Operation, weil er immer cool, gelassen, rational, stoisch und so verdammt nüchtern und sachlich war.
    Er saß einfach da und sah vollkommen gelähmt zu, wie seine Mutter umfiel.

5
    Die Zeit ist gekommen.
    Es ist soweit.
    Nun geh, geh schon, wie, ist mir gleich.
    Du kannst zu Fuß geh ’n.
    Oder dir ’ne Kuh nehm’n.
    MARVIN K. MOONEY wirst du jetzt endlich geh’n.
    Hank schloß das Kinderbuch mit den vielen Eselsohren und packte es in seinen Koffer. Sejde hatte ihm immer daraus vorgelesen, als er noch klein war. Dann haben sie zusammen gelacht … Marvin M. Mooney war ein störrischer Kerl. Alle im Buch sind gegen ihn und sagen, er soll jetzt endlich los, aber das ist ihm schnurz. Er geht erst dann, wenn er es will.
    Und ihm würde auch niemand dreinreden.
    Er dachte einen Augenblick nach.
    Die Zeit war gekommen. Es war soweit.
    Tu es schon, tu es, wie, ist mir gleich.
    Geh zu Fuß oder nimm dir ’ne Kuh.
    Nur geh endlich los, scheißegal, wie.
    Du brauchst aber jemand, der dir die Taschen trägt.
    Jemand, der für dich die Schwulen zusammenschlägt.
    Jemand, der dir die Füße massiert,
    ’nen Idioten, der für

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