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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Pack dich warm ein. Es ist lausig kalt. Genieß deinen Spaziergang, Peter.«
    Yeah, dachte Decker. Er würde sich blendend amüsieren.

2
    Er hatte diese Jahreszeit schon immer gehaßt.
    Die Feiertage.
    Sie erinnerten ihn an Fisch.
    Fisch ging zu dieser Zeit wie verrückt, besonders Fisch köpfe. Lecker, Fischköpfe. Und dann der durchgedrehte Fisch – alle wollten gefillte Fisch machen.
    Kein Karpfen, nur Weißfisch und Hecht.
    Nur Weißfisch. Nur Karpfen.
    Nur Karpfen und Hecht.
    Könnten Sie etwas Paniermehl reintun?
    Könnten Sie eine Zwiebel mit reintun?
    Mehr Zwiebel.
    Weniger Zwiebel.
    Keine Zwiebel.
    Leeeeeeecckkkkk mich.
    Karpfen waren widerliche Fische, die stanken wie Müll. Sie waren Schlammwühler, also fraßen sie eine Menge Scheiße. Du bist, was du ißt. Wenn du einen Karpfen aufschneidest, halt dir die Nase zu. Man findet allen möglichen Mist darin. Kleine Steinchen, Sand, Dreck und viele, viele Würmer, besonders wenn sie aus schmutzigen Gewässern stammten. Manchmal fand er Coladosenringe oder Kronkorken. Manchmal grüne Scherben von Flaschen.
    Wenn er die alte Frau richtig haßte, drehte er das Glas mit durch. Wie schön das knirschte.
    Leeeeeecccckk mich.
    Scheiß auf die Feiertage.
    Sie erinnerten ihn auch an seine Familie.
    Scheiß auf die Familie.
    Die Feiertage. Sie sollten einem Furcht einflößen, aber für ihn waren die Gebete und der ganze Scheiß einfach nur … Scheiße. Letztes Jahr hatte er an Jom Kippur morgens ein Käsebrot gegessen.
    Gott hatte ihn nicht erschlagen, wie sie ihm erzählt hatten.
    Dann hatte er sich einen runtergeholt.
    Gott hatte ihn nicht erschlagen.
    Dann war er ein paar Bier trinken gegangen, hatte mit den anderen Männern rumgeflucht und den Mädchen nachgepfiffen. War einfach nur rumgelungert.
    Gott hatte ihn nicht erschlagen.
    Dann hatte er zu Mittag eine Pizza mit Paprika gegessen.
    Gott hatte ihn nicht erschlagen.
    Dann hatte er sich ein Pornovideo ausgeliehen und noch mal gewichst. Zweimal. Mann, was war er für ein Sexprotz.
    Gott hatte ihn nicht erschlagen.
    Warum sollte Gott ihn erschlagen?
    Er war Gott. Oder so gut wie.

3
    Auf den Straßen von Boro Park herrschte noch hektische Betriebsamkeit, obwohl die meisten Läden bereits geschlossen hatten. Schwarz gekleidete Männer schlenderten die breiten Straßen entlang, während mittelalterliche Frauen riesige Einkaufstaschen schleppten und rasch noch die Sachen besorgten, die ihnen in letzter Minute eingefallen waren. Junge verheiratete Frauen, in Wintermäntel gehüllt, rangen um Haltung, während sie vom Strom mitgerissen wurden. Einige von ihnen trugen Wollmützen, die meisten jedoch Perücken. Das übliche Modell waren schulterlange glatte Haare mit nach innen gedrehten Spitzen – ein modifizierter Pagenkopf. Mit leicht geröteten Nasen schoben die Frauen schwer beladene Kinderwagen über die Bürgersteige, die Nachkommenschaft fast völlig unter mehreren Schichten Decken verborgen. Decker wußte nicht, ob es an der ungewöhnlichen Kälte lag, aber alle hasteten durch die Gegend, als ob sie vor irgendeiner imaginären Sperrstunde zu Hause sein müßten.
    Er steckte die Hände in die Manteltaschen und zwang sich, langsamer zu gehen. Schließlich mußte er nirgendwo hin und hatte auch nichts Besonderes zu tun. Er zog seinen hellbraunen Kaschmirschal fester um den Hals. Er war ein Geschenk von Rina – eigentlich reine Geldverschwendung, weil es in L. A. selten so kalt war, daß man einen Schal brauchte. Aber er wußte, daß sie sich beim Aussuchen viel Mühe gegeben hatte, deshalb trug er ihn, so oft es ging. Auf dem Kopf hatte er ein Scheitelkäppchen, keinen Hut. In den meisten Gegenden hätte ihn die Jarmulke als Juden gekennzeichnet. Hier kennzeichnete ihn die Tatsache, daß er nur die Jarmulke trug, als »Goj«.
    Na wenn schon. Er konnte sich nur bis zu einem bestimmten Punkt verändern, und er dachte nicht im Traum daran, einer von denen zu werden.
    Er dachte an Rina, wieviel gelassener sie geworden war. Sie war jetzt viel ruhiger, wenn sie mit anderen Orthodoxen zusammen waren, entschuldigte sich nicht mehr für seine Fehler, die auf der Unkenntnis irgendeines Rituals beruhten. Statt dessen tat sie sie mit einem Achselzucken ab, als wäre es keine große Sache. Das war entschieden besser als dieses leise nervöse Lachen, in das sie früher immer ausgebrochen war, wenn er einen Fauxpas begangen hatte.
    Gott, wie hatten sich die Dinge verändert. Vor einem Jahr hatten sie große Probleme gehabt.

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