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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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einem Tag abklappern können. Doch hier war die Bevölkerungsdichte sehr hoch. Was die Anzahl der Leute betraf, die er befragen mußte, hätte das in L. A. einer viermal so großen Fläche entsprochen.
    Genervt von den engen Straßen und den Horden von Menschen, die ständig bei Rot über die Straße gingen, suchte er nach einem Parkplatz.
    »Park doch einfach in der zweiten Reihe«, sagte Rina. »Ich bleib im Auto sitzen, während du herumfragst.«
    Decker sah sie an, als ob sie etwas wirklich Tiefgründiges gesagt hätte. »Das ist eine gute Idee.«
    »Danke. Ach – Peter?«
    »Ja?«
    »Mir ist noch was eingefallen … nicht daß ich dir in deine Arbeit reinreden will …«
    »Was denn?«
    »Statt speziell nach deinem Hersh zu fragen, solltest du dich vielleicht ganz allgemein nach einem Hersh erkundigen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Frag die Leute, ob sie irgendeinen Hersh kennen, der ungefähr einundzwanzig ist. Hersh ist ein gängiger Name, und immerhin könnte dein Hersh ein Doppelleben führen.«
    Decker antwortete nicht.
    »Vergiß es«, sagte Rina. »War nur so ein Gedanke …«
    »Das ist ein guter Gedanke. Ich werd’s so machen.«
    »Und vielleicht solltest du auch nach Leuten namens Zvi fragen. Hersh und Zvi sind hier in der Gemeinde ein und derselbe Name.«
    »Hersh und Zvi?«
    »Hersh ist jiddisch, Zvi hebräisch. Beides bedeutet ›Wild‹ … wie ›Hirsch‹.«
    »Oh.« Decker war bewußt, daß nur ein Insider so etwas wissen konnte, und er war froh, daß Rina mitgekommen war. »Du bist ein kluges Mädchen.«
    »Danke.«
    Sie senkte den Kopf, doch Decker sah, daß sie lächelte. Er beugte sich zu ihr und küßte sie auf die Wange. Dann stieg er aus dem Auto.
    Die Sonne schien. Die Luft war frisch und knapp über null Grad kalt. Die Straßen schienen voller Energie zu stecken. Leute unterhielten sich, Hupen plärrten, und der Geruch von Hefeteig, Zwiebeln und Fett lag in der Luft. Decker nahm das Foto von Noam heraus und begann an einem Ende des Häuserblocks. Er fragte in jedem Geschäft und alle zufällig vorbeikommenden Passanten. Nach zwei Stunden kam er zum Auto zurück. Rina las ein Buch – eine Biographie über Menachem Begin. Neben ihr lag zerknittert die Zeitung vom Morgen, das Kreuzworträtsel war mit Tinte ausgefüllt.
    Sie blickte auf, als er sich auf den Fahrersitz setzte.
    »Kein Glück?«
    »Niemand, mit dem ich gesprochen hab, hat Noam erkannt. Ich hab eine Liste mit zwei Zvis und fünf Hershs oder Hershels, die Anfang zwanzig sind, mit den ungefähren Adressen. Du weißt doch, wie die Leute sind. ›Ja, da gibt’s einen Hersh Goldblum, der wohnt da runter.‹ Bloß dieses ›da runter‹ könnte in einer von fünf Straßen und in etwa vierzig Häusern sein. Ich werde bei der nächsten Polizeidienststelle vorbeifahren, das ist das 72. Revier, wie ich festgestellt hab. Die haben dort sämtliche Straßen- und Häuserverzeichnisse rumliegen. Von dort könnte ich auch bei der Telefongesellschaft und bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle anrufen.«
    »Möchtest du erst was zu Mittag essen?« fragte Rina.
    »Nee, erst wenn ich damit fertig bin. Du kannst dir ja was besorgen.«
    »Wenn du das Foto von Noam nicht brauchst, könnte ich ja mal versuchen, die Wohnungen abzuklappern und mit den Frauen zu reden. Ich würde dich dann in etwa einer Stunde auf dem Revier abholen.«
    »Das willst du wirklich tun?«
    »Ja«, sagte Rina.
    »Okay, Lady, abgemacht.« Er gab ihr einen kleinen Stapel Fotos von Noam. »Das wäre mir eine große Hilfe.«
    »Wir sind ein gutes Team, was?«
    Decker lachte.
    »Was ist daran so komisch?«
    Sie klang gekränkt.
    »Wir sind ein großartiges Team«, sagte Decker. »Es ist nur, daß Shimon gestern genau das gleiche zu mir gesagt hat.«
    »Jeder möchte sich halt gern mit einem Sieger zusammentun«, sagte Rina.
    »Hoffentlich ist es auch einer.«
     
    Als Decker eine Stunde später zum Auto zurückkam, tauschten sie ihre Ergebnisse aus. Die Hersh/Zvi-Liste war auf drei Namen geschrumpft, da zwei von den Hershs und die zwei Zvis aus der Stadt weggezogen waren. Er hatte mit der Frau von Hersh Eins gesprochen und erfahren, daß ihr Mann ein Fischgeschäft in Williamsburg hatte. Er war ein bärtiger Mann von einsdreiundachtzig, fast zwei Zentner schwer und dreißig Jahre alt. Decker strich ihn von der Liste. Der andere Hersh lernte den ganzen Tag in einem Kolel und verbrachte die Abende zu Hause bei seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn. Er hatte zwar ungefähr die

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