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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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richtige Größe, trug jedoch einen Bart und war anscheinend nicht sehr kräftig. Der dritte – ein Hershel – war Juwelenhändler und arbeitete in Manhattan. Decker hatte mit seiner Frau gesprochen und erfahren, daß er blonde Haare und blaue Augen hatte und achtundzwanzig war. Rina hatte sich auch umgehört. Noam war sämtlichen Hausfrauen, mit denen sie gesprochen hatte, vollkommen unbekannt.
    »Jetzt sind wir wieder da, wo wir angefangen haben«, sagte Rina.
    »Nicht ganz«, sagte Decker, »und für den nächsten Schritt brauche ich, glaub ich, deine Hilfe.«
    »Ich tu alles, was du willst.«
    Ihre Stimme klang ganz aufgeregt, und er hoffte, er hatte sie nicht auf dumme Gedanken gebracht.
    »Ich möchte, daß du mit den Jungen im Teenageralter sprichst, die hier wohnen«, sagte Decker. »Vielleicht hatten einige ja – wie Noam und Yossie – auch schon mal was mit Houdini Hersh zu tun. Die einfachste Möglichkeit, an diese Jungs ranzukommen, ist in ihren Schulen. Nun würden die Rabbis bei mir nicht allzu kooperativ sein. Ich seh viel zu sehr nach einem Goj aus und verhalte mich auch so. Aber du sprichst Jiddisch, und du bist sehr schön.«
    »Ich glaub nicht, daß mein Aussehen in diesem Fall von Vorteil ist.«
    »Das glaubst auch nur du. Männer sind überall gleich, und wenn diese Kerle Augen im Kopf haben, werden Sie dir heimliche Blicke zuwerfen. Wenn du dich sittsam und aufrichtig verhältst und dabei ein bißchen mit den Hüften wackelst, könntest du uns sicher dort Zugang verschaffen.«
    »Wie soll ich mit den Hüften wackeln und mich gleichzeitig sittsam verhalten?«
    »Hab ich je behauptet, daß Detektivarbeit einfach sei.« Decker zwinkerte ihr zu. »Ich hab hier die Namen von drei High-School Jeschiwas in der Gegend. Möchtest du erst Mittagspause machen, oder sollen wir durcharbeiten?«
    »Wer kann denn in einer solchen Situation schon was essen?«
    »Okay, dann los.«
     
    Die erste High-School auf der Liste war die Ner Tamid Jeschiwa in Crown Heights. Sie lag auf dem Eastern Parkway, einem breiten Boulevard mit tadellos gepflegten Stadthäusern, die vor langer Zeit gebaut worden waren, als Arbeit preiswert war und Architekten es sich leisten konnten, auf Details zu achten. Dorische Säulen flankierten stattliche Eingänge, die von steinernen Türbögen gekrönt waren. Erkerfenster wurden von kannelierten Abschlußsteinen umrahmt. Altmodische Straßenlaternen standen vorne an den mit Steinplatten belegten Gehwegen, die zu den Häusern führten; schmiedeeiserne Gitter säumten die gepflegten Rasenflächen. Das Viertel strahlte die Eleganz einer längst vergangenen Zeit aus.
    Die Jeschiwa war ein vierstöckiges Gebäude. Das Untergeschoß war mit Kalksteinplatten verkleidet, die drei oberen aus Backstein gemauert. Über den Fenstern genau in der Mitte liefen im Zickzack die Metallsprossen einer Feuerleiter. Rauchglasscheiben ließen die großen Eingangstüren düster aussehen. Davor unterhielten sich drei chassidische Jungen. Sie trugen schwarze Anzüge, schwarze Schlapphüte, bis zum Hals zugeknöpfte weiße Hemden und keine Krawatten.
    Decker parkte den Wagen am Bordstein vor dem Eingang und sprang hinaus. Doch Rina begann in ihrer Handtasche zu wühlen. Schließlich zog sie ein ziemlich verschlissenes Tuch heraus, faltete es diagonal, setzte es auf ihre Perücke und band die Enden unterm Kinn zusammen.
    Er sah sie an. »Aber dein Kopf ist doch bedeckt. Du trägst doch eine Perücke.«
    »Ich glaube nicht, daß diese Perücke das Richtige ist.«
    Decker runzelte die Stirn. »Jetzt paßt dein Kopf zu deinen Stiefeln. Könnte ich bitte ein Pfund Heilbutt haben, Molly Malone?«
    »Immerhin hast du bitte gesagt.« Sie boxte ihn gegen den Arm. »Mach dir keine Sorgen, ich hab auf der Fahrt hierher über alles nachgedacht. Ich weiß jetzt, was ich tun muß.«
    »Wunderbar.«
    Sie gingen hinein. Ein blankgeputzter Bronzekronleuchter, der von einer rissigen Decke hing, erhellte den Eingangsbereich. Das war aber auch das einzig Erfreuliche. Der übrige Raum wurde gerade renoviert. Man konnte das nackte Mauerwerk sehen. Die Fußleisten steckten voller Nägel von dem offenbar erst kürzlich entfernten Teppichboden. Am Empfang saß eine etwa fünfzigjährige Frau mit einem Bleistift hinterm Ohr. Sie hatte einen riesigen Busen und trug ein braunes Kostüm und eine Buster-Brown-Perücke. Sie saß an einem Klapptisch, auf der einen Seite mehrere Stapel Papiere, auf der anderen ein Telefon und ein Rolodex. Ihr

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